09.07.2021

Klagenfurter Domplatz soll zu Platz des gemeinsamen Erinnerns werden

Kirchen und Zivilgesellschaft erinnern an Widerstand gegen NS-Regime in Kärnten

Der Domplatz in Klagenfurt hat für die Volksgruppe der Kärntner Slowenen eine wirkmächtige Geschichte, die in der Kärntner Erinnerungskultur aber nicht präsent ist, wie bei der Veranstaltung kritisierte wurde. Foto: wikimedia/Johann Jaritz/(CC BY-SA 3.0 AT)

Kirchen und Zivilgesellschaft erinnern an Widerstand gegen NS-Regime in Kärnten

Klagenfurt (epdÖ) – In einer Dankesandacht im Klagenfurter Dom haben am Freitag, 9. Juli, der evangelische Superintendent von Kärnten und Osttirol Manfred Sauer und der römisch-katholische Diözesanbischof Josef Marketz an den Widerstand gegen das NS-Regime in Kärnten erinnert. Die Andacht war Teil eines Festes, das eine neue Erinnerungskultur insbesondere an den Partisanenwiderstand in Kärnten von 1938 bis 1945 und eine positive Sichtweise auf die Befreiung vom Nazi-Regime anstoßen wollte. In einer erneuerten Erinnerungskultur, so die Veranstalter, soll dem slowenischen Kärnten sein gebührender Platz eingeräumt werden.

Superintendent Manfred Sauer zitierte in seiner Ansprache den slowenischen Reformator Primus Truber, „Stehen und Widerstehen – Stati inu obstati“. In der Nachfolge Jesu brauche es immer wieder Mut und  Zivilcourage gegen autoritäre, fundamentalistische und faschistische Tendenzen in der Gesellschaft rechtzeitig aufzustehen und Widerstand zu leisten. In der Zeit des Nationalsozialismus habe auch die Evangelische Kirche großteils „versagt, geschwiegen und weggeschaut“. Die Erinnerung an dieses dunkle und katastrophale Kapitel und die verheerenden Folgen des Versagens sei notwendig, „um daraus zu lernen, um die Zeichen der Zeit rechtzeitig zu erkennen und gemeinsam im Vertrauen auf Jesus Christus für menschliche Würde, Freiheit und Vielfalt einzutreten und den Anfängen zu wehren“.

Diözesanbischof Josef Marketz erinnerte an jene die Widerstand geleistet haben. Die Kraft des Glaubens und Gottvertrauens führe auch heute zur Freiheit. „Die Erinnerung an das Unrecht der Vergangenheit und das menschenverachtende Erbe der NS-Zeit ist für die Gestaltung der Gegenwart von enormer Bedeutung. Als katholische Kirche wollen wir uns mit allen Menschen guten Willens gemeinsam gegen das Vergessen aussprechen, damit sich die Verbrechen der Vergangenheit nicht wiederholen“, so Marketz. Eine umfassende Erinnerungskultur nehme alle Menschen und auch alle Dimensionen des Lebens in den Blick. Aus dem Vertrauen, dass Gott in Tagen der Bedrängnis den Menschen nicht alleine lasse, erwachse die Kraft für den „Einsatz für ein Leben in Würde – gestern und heute“.

Konkretes Anliegen der Initiative „Koroška/Kärnten gemeinsam erinnern/skupno ohranimo spomin“, die das Fest organisiert hatte, ist die Umgestaltung des Denkmals am Klagenfurter Domplatz. Dieses betone einseitig die negativen Seiten des Widerstands gegen das NS-Regime. „Das bestehende Denkmal propagiert ein problematisches Geschichtsbild. Wir wollen einen neuen, offeneren, zeitgemäßen Diskurs, eine positive Sicht auf Widerstand und Befreiung“, sagte Sprecherin Nadja Danglmaier bei einem Pressetermin im Vorfeld des Festes. „Wir freuen uns sehr, dass es gelungen ist, die Kirchen mit an Bord zu holen. Das zeigt auch die Wichtigkeit unserer Initiative“, betonte Danglmaier, die an der Alpe-Adria-Universität Klagenfurt über Erinnerungskultur forscht.

Danglmaier ist der Bogen in die Gegenwart wichtig: „Unsere Initiative vereint viele Menschen in dem Anliegen, den Domplatz ins Zentrum einer erweiterten Erinnerung in Kärnten/Koroška zu rücken. Neu erinnern, ganz erinnern, gemeinsam erinnern. Das weist den Weg in eine lebendige und friedliche, gemeinsame und gerechte Zukunft.“ Das Fest soll künftig jährlich stattfinden, der Blick auf die Geschichte solle Mut machen, gegen Ungerechtigkeit und Ausgrenzung zu wirken.

Die Journalistin Tanja Malle erinnerte an die bewusst vorangetriebene Politik der Auslöschung des slowenischen Kärntens; der physischen, sprachlich-kulturellen und politischen. Der brutale Höhepunkt der physischen Auslöschung sei die zwangsweise Deportation und Internierung von Kärntner slowenischen Familien in den Jahren 1942 bis 1944/45 gewesen.

Nach Angaben von Historikern kämpften in den slowenischen Partisanenverbänden mehr als 900 Männer und Frauen. Die antifaschistische Befreiungsfront hatte sich 1941 in Ljubljana gegründet, ihr schlossen sich Kärntner Slowenen an. Viele von ihnen sowie Unterstützerinnen und Unterstützer wurden von Gestapo und SS gefangengenommen und hingerichtet. Das Denkmal am Klagenfurter Domplatz erinnert ausschließlich an die „von Partisanen verschleppten und ermordeten Kinder, Frauen und Männer“.

(Bildlizenz: Creative-Commons „Namensnennung – Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Österreich“  – CC BY-SA 3.0 AT; https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/at/deed.de)

 

ISSN 2222-2464

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