07.10.2020

Diakonie legt Konzept für Neuorganisation der Pflege vor

Moser: Demographischer Wandel macht Reform unabdingbar

Das Pflegeheim sei „oft diejenige Lösung, die nicht den Bedürfnissen entspricht und auch volkswirtschaftlich die teuerste ist“, sagt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. Foto: pixabay

Moser: Demographischer Wandel macht Reform unabdingbar

Wien (epdÖ) – Mit einem neu vorgelegten Konzept will die Diakonie die Pflege in Österreich neu aufstellen. Das Ziel: Zum einen mehr Autonomie für Pflegebedürftige, zum anderen ein langsamer wachsender Kostenanstieg als bisher erwartet, erklärten Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser und Daniela Palk, Vorständin des Diakoniewerks.

Der demografische Wandel mache eine Reform der Pflegesystems unabdingbar, so Moser. Bis 2030 werde etwa die Zahl der Ein-Personen-Haushalte von Menschen über 65 Jahren um 39 Prozent steigen. Gleichzeitig erhöhe sich bis dahin der Bedarf an Fachkräften im Pflegebereich um 24.000. Daher werde es bei der angestrebten Reform der Pflege „nicht reichen, da und dort die eine oder andere Lücke zu schließen“, argumentierte Moser. Damit man wirklich von einer Reform sprechen könne, brauche es einen grundlegenden Umbau. Das künftige Pflegesystem müsse den Bedürfnissen der Menschen gerecht werden und dabei auch wirtschaftlich sein.

Dies erfülle das aktuelle System, das auf den beiden Säulen Pflegeheim oder mobile Betreuung basiert, nicht. Nur allzu oft bleibe derzeit das Heim als letzte Lösung, so Moser. Das sei „oft diejenige Lösung, die nicht den Bedürfnissen entspricht und auch volkswirtschaftlich die teuerste ist“. Daher habe man ein neues Dienstleistungs- und Finanzierungskonzept entwickelt. Es trägt den Namen „SING“ (Seniorenarbeit innovativ gestalten, Anm.) und geht von der Frage aus, was die Betroffenen wirklich brauchen – und das Hand in Hand mit der Finanzierungslogik.

Kernstück der Finanzierung bleibt laut Palk die Pflegegeldzahlung. Die Bezieher sollen aber künftig die Möglichkeit erhalten, mit einem Teil des Pflegegeldes einen „sachleistungsbezogenen Autonomiebetrag“ zu erwerben, der durch einen Zuschuss der öffentlichen Hand den Pflegegeldbeitrag vervielfachen soll. Bei den Pflegegeldstufen drei bis fünf würde dies etwa eine Vervierfachung des Beitrags ausmachen. Mit dem Autonomiebetrag können dann individuelle Betreuungs- und Pflegedienstleistungen bezogen werden. Vermittelt sollen diese dann durch das neue Berufsfeld der Pflegelotsinnen werden. Deren Aufgabe bestehe nicht nur darin, den Bedarf zu erheben, sondern in Zusammenarbeit mit den lokalen Anbieterorganisationen die Betreuungsleistungen zu entwickeln.

Durch dieses System erhielten die Pflegebedürftigen mehr Autonomie und Wahlfreiheit, volkswirtschaftlich gesehen könnte die Kostensteigerung abgebremst werden, denn Heimplätze seien wesentlich teurer und auch die Organisationen könnten ihre Angebote flexibler gestaltet. Freilich müssten Leistungsanbieter akkreditiert und von der öffentliche Hand zertifiziert werden, so Palk.
„Das ist ein System, das sehr aufs Lokale und Kleinteilige blickt und Eigenverantwortung und Innovation fördert“, zeigte sich Moser überzeugt. Außerdem könnte es auch das Berufsfeld attraktiver gestalten, wenn Pflegekräfte mehr Freiraum bekämen. Geht es nach der Diakonie-Direktorin sollte das Modell zunächst einmal in einer Region als Pilotprojekt gestartet und wissenschaftlich begleitet werden.

Man habe das Konzept bereits der Sozialministerin der Übergangsregierung, Brigitte Zarfl, und im Frühjahr auch Sozialminister Rudolf Anschober (Grüne) vorgestellt. Dann kam aber die Corona-Pandemie dazwischen, so Palk. Nun wolle man einen neuen Anlauf starten.

ISSN 2222-2464

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