03.04.2021

Bischof Chalupka kritisiert politischen Umgangston mit Kirchen

In Osterinterviews spricht der evangelisch-lutherische Bischof über Chat-Protokolle, Corona-Gedenken und Karfreitags-Momente

Mangelnde Achtung des Gegenübers beschädige die Würde des politischen Amtes „und damit unserer Demokratie“, meint Bischof Michael Chalupka. Foto: epd/Uschmann

In Osterinterviews spricht der evangelisch-lutherische Bischof über Chat-Protokolle, Corona-Gedenken und Karfreitags-Momente

Wien (APA/epdÖ) – Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka sorgt sich im APA-Osterinterview um den Umgangston der Politik mit den Religionsgemeinschaften – aber auch darüber hinaus. Anlass ist das in der Causa ÖBAG aufgetauchte Chatprotokoll, wonach Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) angewiesen hatte, „Vollgas“ gegen Privilegien der katholischen Kirche zu geben. Chalupka erinnert das an die Karfreitagsdebatte, die noch immer eine Wunde sei, „die nicht vergessen wird“.

Ob die Ansage des Kanzlers an den damaligen Generalsekretär im Finanzministerium Thomas Schmid als Revanche auf Kirchenkritik an der Asylpolitik zu verstehen sei, will Chalupka nicht mutmaßen, aber: „Was an diesen Chat-Protokollen deutlich geworden ist, und das macht mich besorgt, ist eine mangelnde Achtung des Gegenübers und eine klammheimliche Freude an der Demütigung.“ Dies beschädige nicht nur die Würde des Gegenübers, „sondern es beschädigt auch die Würde des politischen Amtes und damit unserer Demokratie“.

Chalupka erinnert der Chat auch an den Umgang mit der evangelischen Kirche bei den Karfreitagsverhandlungen, „wo auch wir eine mangelnde Achtung vor unserer Tradition, aber auch unseren Repräsentanten verspürt haben“. Für den Bischof ist auch diese Diskussion nicht abgeschlossen, erinnere der Karfreitag doch auch an die leidvolle Geschichte der Protestanten in Österreich. „Es muss auch eine Diskussion geben, unabhängig vom Karfreitag, über ein Gedenken an die Coronapandemie und über die Opfer“, erhofft sich der Bischof.

Trotz aller Kritik gibt es dennoch einen Dialog mit der Regierung – etwa bezüglich des Urteils des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) zum assistierten Suizid. In den kommenden Wochen soll es „ausführliche Gespräche“ mit dem Justizministerium geben, bei denen geklärt werden soll, wie man mit der Aufhebung des Verbots künftig umgeht, berichtet der Bischof. „Der Regierung ist es sehr bewusst, dass sie etwas tun muss“, meint Chalupka. Es dürfe vor allem keine Verpflichtung etwa für Ärzte zur Beihilfe zum assistierten Suizid geben, betont er.

Gar nichts getan hat sich hingegen nach dem groß angelegten Auftaktgespräch der Regierung für einen „Pakt gegen die Einsamkeit“ im August des vergangenen Jahres. „Dabei ist es geblieben, alle eingeladenen Organisationen haben ihre Konzepte geschrieben und dann nichts mehr gehört“, berichtet der Bischof. Angekündigt worden war etwa die Ernennung eines eigenen Regierungskoordinators, im Hinblick auf die Coronakrise waren Maßnahmen zur Bekämpfung der Alterseinsamkeit geplant. Sollte sich doch etwas getan haben, „dann im Geheimen“, so der Bischof.

Gerade beim Kontakt mit älteren Menschen wünscht sich Chalupka auch während der Pandemie nun mehr Möglichkeiten, da die Durchimpfungsrate in den Pflegeheimen sehr hoch sei. „Die Menschen haben sich erwartet, dass sie hier mehr Besuch bekommen können“, findet er. „Ich denke, da sollte noch mehr möglich sein. Auch miteinander zu feiern sollte das Ergebnis dieser Impfung sein.“ Dies alles sollte natürlich unter einem strengen und regelmäßigen Testregime geschehen, merkt der evangelisch-lutherische Bischof an.

Wenig Verständnis hat Chalupka dafür, dass bei Demonstrationen von Gegnern der Coronamaßnahmen Regeln zum Schutz aller missachtet werden. „Und wofür ich gar kein Verständnis habe ist, dass das auch noch religiös verbrämt wird.“ Der angedachte „Grüne Pass“ der Regierung sei wiederum „grundsätzlich eine Möglichkeit, weil es ja nicht darum geht Menschen Privilegien zu schaffen, sondern eingeschränkte Freiheiten den Menschen wieder zurückzugeben“. Diese Diskussion ergebe aber erst dann Sinn, wenn jeder und jede zumindest die Möglichkeit zur Impfung habe.

„Keine dramatischen Auswirkungen“ der Pandemie kann der evangelisch-lutherische Bischof derzeit auf seine eigene Kirche feststellen. Es gebe ein hohes Maß an Zusammenhalt in den Pfarrgemeinden. Gläubige nutzten auch die alternativen Möglichkeiten zur Teilnahme an den Gottesdiensten stark. Dass der Lockdown für Kirchenbesucher in diesem Jahr anders verläuft als 2020 freut ihn. „Uns ist wichtig, dass die evangelische Kirche für Menschen, die die Osterbotschaft suchen, analog und digital zugänglich ist.“

Eine große Debatte über den Umgang mit homosexuellen Paaren – wie sie derzeit wieder in der römisch-katholischen Kirche geführt wird – haben Österreichs Protestanten nicht. Habe man doch vor zwei Jahren in einem Synodenbeschluss den einzelnen Gemeinden die Entscheidung selbst überlassen. Eine Segnung anlässlich der staatlichen Eheschließung sei also in Gemeinden, die sich dafür entschieden haben, möglich, betont Chalupka. Probleme habe es bis jetzt nicht gegeben, denn: „Das ist sozusagen der Vorteil einer synodal-presbyterialen Kirche, dass man sich einigen muss und wenn man sich geeinigt hat, dann hält man sich auch daran.“

Im Osterinterview für die Tageszeitung „Der Standard“ (Wochenendausgabe) unterstreicht Chalupka, dass sich das Gemeinschaftsgefühl und der Zusammenhalt während der Corona-Pandemie bewährt haben. Neues sei entstanden, „die digitale Kirche war nicht nur ein Lückenbüßer“.

Der Karfreitag zeige, dass Verletzlichkeit und Unverfügbarkeit der Zukunft zum Menschsein gehöre, was auch gerade in der Zeit der Pandemie spürbar werde. „Wenn ich daran denke, dass man vor zwei Jahren nicht bereit war für einen Tag die Geschäfte zu schließen um daran zu erinnern, dass nicht immer alles nur glänzende Oberfläche ist, sondern dass auch diese Unverfügbarkeit, diese Verletzlichkeit, dazugehört – das ist jetzt Alltag“, so der Bischof wörtlich. Der Karfreitag war eine Anerkennung der Verfolgung der Evangelischen in der Gegenreformation. Es sei wichtig, dass bei Minderheiten im Land auch die historische Dimension Respekt finde, „da steht noch immer etwas aus“. In inhaltlichem Zusammenhang mit dem Karfreitag sieht Chalupka das ausstehende öffentliche Gedenken für die Opfer der Corona-Pandemie, denn „hinter den Statistiken und Zahlen verschwinden Lebensgeschichten“.

Kein Verständnis hat der Bischof für die Verschärfungen im Sozialbereich, etwa das Auslaufen der angepassten Nothilfe, bei der Stundung der Mieten oder der Abschaffung der Mindestsicherung. Auf deutliche Kritik stößt bei Chalupka auch der politische Umgang mit der menschenunwürdigen Situation in den griechischen Flüchtlingslagern. An Hilfe vor Ort sei „nichts falsch“, jedoch funktioniere sie nicht, „und sie ist auch nicht gewollt“. Was derzeit auf europäischem Boden ablaufe, zeige, „dass es gewollt ist hier Menschen in absolutem Elend leben zu lassen, um Abschreckung zu erzielen“. Das große Thema zu Ostern sei: „Wie kommen wir wieder zu einem Wertesystem, das Menschen achtet und wo Demütigung keinen Platz hat.“

Verantwortung übernehmen bedeute auch, „dass man nicht immer nur mit dem Finger auf Andere zeigt, sondern zu sagen, wo wir – in der Pandemie, in der Flüchtlingsarbeit – etwas falsch gemacht haben“. Gerade in der Bekämpfung der Armut oder beim Thema Migration sei die Regierung „noch vieles schuldig“.

ISSN 2222-2464

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