09.05.2018

„SicherSein“: NGOs gegen Abschiebungen nach Afghanistan

Chalupka: Abschiebungen wie in Deutschland aussetzen

Appellierten an die Bundesregierung, die Situation in Afghanistan neu zu bewerten: Diakonie-Direktor Michael Chalupka, Patin Erika Kudweis, Afghanistan-Expertin Friederike Stahlmann, Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger und der Flüchtling Kabir Abbasi. Foto: epd/Michael Windisch

Chalupka: Abschiebungen wie in Deutschland aussetzen

Wien (epdÖ) – Gemeinsam mit „Volkshilfe“, „Asylkoordination Österreich“ und weiteren Hilfsorganisationen startet die Diakonie Österreich die Kampagne „#SicherSein“ gegen Abschiebungen von Flüchtlingen nach Afghanistan. Die NGOs reagieren damit auf zunehmende Rückführungen von Einzelpersonen und Familien in das zentralasiatische Land, das im vergangenen Jahr die höchste Zahl an getöteten ZivilistInnen seit der vorübergehenden Vertreibung der Taliban 2001 aufwies. Heuer seien in der Hauptstadt Kabul bereits rund 400 Menschen bei Anschlägen getötet worden. Bei der Pressekonferenz zum Kampagnenauftakt am Dienstag, 8. Mai, in Wien sagte Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger mit Verweis auf die Asylpolitik der Bundesregierung: „Wir wenden uns entschieden gegen das Geschäft mit der Verunsicherung. Wir wollen Sicherheit schaffen, für Österreicher, aber auch für die, die nach Österreich fliehen.“ Die Kampagne wolle erreichen, „dass Österreich kein trauriger Vorreiter in Sachen Abschiebung“ werde. „Wir sind viele und glauben an das Mögliche.“

Auch Diakonie-Direktor Michael Chalupka kritisierte, dass in Österreich „die Lage in Afghanistan derzeit völlig falsch eingeschätzt“ werde. Das zeige sich auch daran, dass viele Asylverfahren von Menschen aus Afghanistan zunächst negativ beschieden, diese Urteile aber in zweiter Instanz wieder aufgehoben würden. Chalupkas Appell an die Regierung: „Abschiebungen nach Afghanistan sollen wie in Deutschland ausgesetzt werden.“

Friederike Stahlmann, Afghanistan-Expertin vom Max-Planck-Institut in Halle, skizzierte die Lage in Afghanistan: „Am schlimmsten ist die Not in akut umkämpften Gebieten und Gegenden, wo Menschen Zuflucht zu humanitären Organisationen suchen. Kabul ist beides.“ Eine besondere Gefahr für Menschen, die nach einer Abschiebung nach Afghanistan zurückkehren, seien fehlende Netzwerke: „Wer keine Beziehungen hat, wird keine Chance haben.“ Das Risiko für Entführungen sei besonders hoch, außerdem würden nach Europa Geflüchtete von den Taliban als Glaubensabtrünnige gesehen. Abgeschobene hätten oft nur zwei Möglichkeiten: „Das Land wieder zu verlassen oder zu den Taliban überzulaufen.“

Ihre persönlichen Erfahrungen schilderten Erika Kudweis, Obfrau der Initiative „PatInnen für alle“, und Kabir Abbasi, ein junger Flüchtling aus Afghanistan, der seit zwei Jahren in Österreich lebt und eine Ausbildung zum technischen Zeichner macht. Kudweis sprach von einem Gefühl permanenter Angst: „Es geht uns PatInnen schlecht, weil es unseren Schützlingen schlecht geht, weil sie von Angst aufgefressen werden.“ Sie wolle nicht zulassen, „dass die Regierung durch ihr Wegsehen die Menschen krank“ mache.

Verlesen wurde auf der Pressekonferenz zum Kampagnenstart auch eine Grußbotschaft von Margit Fischer. Die in verschiedenen NGOs tätige Frau des ehemaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer erinnerte daran „dass unsere Kinder in zehn oder zwanzig Jahren fragen werden, wie wir uns 2018 verhalten haben.“ Eine Grußbotschaft per Video kam von Schauspieler und Regisseur Karl Markovics.

Weitere Initiatoren der Kampagne neben Diakonie, Volkshilfe und Asylkoordination sind das Wiener „Integrationshaus“, das „Don Bosco Flüchtlingshilfswerk Austria“, „SOS Mitmensch“ und der Verein „Alpine Peace Crossing“. Unterstützung kommt unter anderem von „Amnesty International“ und dem Österreichischen Roten Kreuz. Weitere Informationen unter www.sichersein.at

ISSN 2222-2464

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