15.12.2021

Semmering: Protestwanderung gegen Isolation von Geflüchteten

Zutritt zu Flüchtlingsunterkunft untersagt – Superintendent Geist: „Tief betroffen über Vorgehen“

Der Protest richtete sich „gegen die Isolation und schlechte Betreuung von jungen Menschen im Asylverfahren“. Foto: #FairLassen

Zutritt zu Flüchtlingsunterkunft untersagt – Superintendent Geist: „Tief betroffen über Vorgehen“

Spital am Semmering (epdÖ) – Mit einer Protestwanderung vor dem Quartier für minderjährige Geflüchtete in Steinhaus am Semmering hat sich der NGO-Verbund #FairLassen am Dienstag, 14. Dezember, „gegen die Isolation und schlechte Betreuung von jungen Menschen im Asylverfahren“ ausgesprochen. Das teilte #FairLassen in einer Aussendung mit. Eine geplante interreligiöse Feier und die Übergabe von kleinen Geschenken an die Jugendlichen vor der Unterkunft konnte nach Auskunft der NGO-Plattform nicht stattfinden, da die Teilnehmenden von Polizeieinheiten angehalten worden seien und die Zufahrt zur Flüchtlingseinrichtung abgesperrt gewesen sei. Nach Angaben der Betreiberorganisation BBU bestehe seit 2005 ein Betretungsverbot für die Einrichtung, Besuche seien grundsätzlich untersagt. Das diene dem „Schutz der Menschen in unserer Obhut“, da es nicht möglich sei, alle Besucherinnen und Besucher zu überprüfen, wie ein Sprecher der BBU mitteilte. Die Geschenke seien „dankbar übernommen“ und an die minderjährigen Flüchtlinge verteilt worden.

„Wir alle spüren im x-ten Corona-Lockdown am eigenen Leib, was Isolation bedeuten kann. Die Jugendlichen am Semmering spüren das täglich“, beschreibt der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist die unerträgliche Situation der jugendlichen Flüchtlinge. „Ich bin tief betroffen über das Vorgehen von Polizei und Heimleitung, und wie diese jungen Menschen hier angehalten werden. Ich wollte ihnen gerne auf Augenhöhe begegnen und Geschenke übergeben. Das wurde mir untersagt.“

„Wir müssen Kindern und Jugendlichen, die ohne Eltern aufwachsen müssen unsere Liebe und Geborgenheit geben“, wird der römisch-katholische Pfarrer Hans Schrei aus Graz zitiert: „Dieses Haus ist ein Haus der Abschottung. Hier werden junge Menschen an den Rand und in die Verzweiflung gedrängt. Aus diesem Grund habe ich eingeladen, ein Zeichen des Protests zu setzen.“ Ebenfalls zur Protestwanderung aufgerufen hatte der Imam Tarafa Baghajati, Obmann der Initiative muslimischer Österreicher*innen: „Die Kinder verlieren in solchen Quartieren wertvolle Zeit ihres jungen Lebens. Es wäre so wichtig ihre Potenziale zu fördern, damit sie diese später für uns als Gesellschaft einsetzen können.“

Christoph Riedl, Diakonie Asylexperte und Sprecher der Initiative #FairLassen betonte: „Es kann nicht sein, dass die Jugendlichen hier keinen Besuch bekommen dürfen. Schon an sich führt die Unterbringung in diesen Großquartieren des Bundes bei den jungen Bewohnern zu einer großen psychischen Belastung. Die zusätzliche Abschottung von ihnen wohlgesonnenen Vertreter*innen der Zivilgesellschaft ist nicht hinnehmbar.“

Der Besuch der Protestgruppe wollte laut #FairLassen vor allem darauf hinweisen, dass alle jungen Menschen eine altersgerechte Betreuung und einen geregelten Tagesablauf, mit Möglichkeiten für Ausbildung und Freizeitbeschäftigung brauchen. Die Kinder- und Jugendhilfe in Österreich sehe vor, dass Kinder und Jugendliche in familienähnlichen Wohngruppen unterzubringen seien. Im Jugendquartier am Semmering leben nach Angaben von #FairLassen derzeit rund 180 Jugendliche. Die Hälfte der rund 800 in solchen Bundesquartieren lebenden Jugendlichen müssten – nach ihrem Verfahrensstand – auch nach dem aktuell gültigen System bereits in kleinere und geeignetere Länderquartiere überstellt sein.

ISSN 2222-2464

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