15.09.2019

Im Gespräch – Bleibende Lücke

Maria Katharina Moser über eine ungewöhnliche Erfahrung

„Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann." Foto: pixabay/Katja Just

Maria Katharina Moser über eine ungewöhnliche Erfahrung

Die, die geht, wird selbst zur Trösterin für die, die bleiben. Das ist eine ungewöhnliche Erfahrung. Ich durfte sie dieser Tage machen. Bei der Verabschiedung unserer Kollegin Pfarrerin Angelika Petritsch. Der Trauergottesdienst begann und schloss mit einem Text des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer, den Angelika selbst bei besonders schwierigen Beerdigungen immer wieder zitiert hat: „Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit eines uns lieben Menschen ersetzen kann und man soll das auch gar nicht versuchen; man muss es einfach aushalten und durchhalten; das klingt zunächst sehr hart, aber es ist doch zugleich ein großer Trost; denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt, bleibt man durch sie miteinander verbunden. Es ist verkehrt, wenn man sagt, Gott füllt die Lücke aus; er füllt sie gar nicht aus, sondern er hält sie vielmehr gerade unausgefüllt, und hilft uns dadurch, unsere echte Gemeinschaft – wenn auch unter Schmerzen – zu bewahren. Ferner: je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung.“

Die Trennung von Angelika war schwer. Sehr schwer. Besonders für ihre Eltern und ihre Geschwister, für ihre Freunde und Freundinnen, aber auch für die Mitglieder ihrer Gemeinde, der Evangelischen Pfarrgemeinde Wiener Neustadt, und alle Kollegen und Kolleginnen im geistlichen Amt. Sie war viel zu jung, um zu gehen. 37 Jahre alt. Eine begabte und innovative Pfarrerin, ein warmherziger und offener Mensch. Durch einen tragischen Unfall aus dem Leben gerissen. Die Lücke, die sie hinterlässt, ist riesig.
Von Lücken, die hinterlassen werden, ist bei Beerdigungen öfter die Rede. Das Bild trifft das Gefühl, das viele haben, wenn sie einen lieben Menschen verlieren: Leere. Unendliches vermissen. Und die Frage: Was tun mit dieser Lücke?

Sie unausgefüllt halten, rät Dietrich Boenhoeffer. Und gerade so verbunden bleiben. Bonhoeffer schreibt diese Zeilen am Heiligen Abend 1943 aus dem Untersuchungsgefängnis der Deutschen Wehrmacht in Tegel, seit einem „3/4 Jahr von allen Menschen, an denen ich hänge, getrennt“. (Am 9. April 1945 wird Bonhoeffer im KZ Flossenbürg von den Nazis ermordet.) Er schreibt sie in einem Brief an seinen engen Freund Eberhard Bethge, mit dem ihn viele und schöne Erinnerungen verbinden. Der, der geht, wird selbst zum Tröster für die, die bleiben. Und er schenkt in seinem Brief die Hoffnung, dass diese Lücke, die verbindet, nicht gähnende Leere bedeutet, sondern Fülle: „Je schöner und voller die Erinnerungen, desto schwerer die Trennung. Aber die Dankbarkeit verwandelt die Qual der Erinnerung in eine stille Freude. Man trägt das vergangene Schöne nicht wie einen Stachel, sondern wie ein kostbares Geschenk in sich.“

ISSN 2222-2464

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