06.12.2020

Hoffnungsträger Adventkranz

Maria Katharina Moser erzählt eine Geschichte voll Licht und Wärme

"Licht und Wärme brauchen auch wir heute. Besonders jetzt, im zweiten Lockdown, der sich schlimmer anfühlt als der erste." Foto: epd/Uschmann

Maria Katharina Moser erzählt eine Geschichte voll Licht und Wärme

Heute Abend entzünde ich die achte Kerze an meinem Adventkranz. Mein Adventkranz hat eine Kerze für jeden Tag im Advent – wie der original Adventkranz. Dessen Geschichte erzählt ein Büchlein, das im Evangelischen Presseverband erschienen ist. Illustriert haben das Buch vier Künstlern und Künstlerinnen mit Behinderung, eine von ihnen ist Ruth Oberhuber. Sie sagt über den Adventkranz: „Er soll Licht und Wärme erzeugen. Auch auf die Menschen bezogen, sie sollen das auch.“

Licht und Wärme haben die Kinder und Jugendlichen, für die vor gut 180 Jahren der Adventkranz erfunden wurde, schmerzlich vermisst. Sie hausten in dunklen Hinterhöfen und feuchten Kellern. Auf sich allein gestellt wuchsen sie auf, ohne warmes Nest und familiäre Geborgenheit. Sie lebten von Bettelei oder Diebstahl, schlossen sich zu Banden zusammen und landeten im Zuchthaus. Die Straßenkinder im Hamburg des frühen Industriezeitalters. Der evangelische Pfarrer und Gründer der Diakonie Johann Hinrich Wichern sah ihre Not. 1833 gründete er das „Rauhe Haus“. Es war kein großes Heim mit riesigen Schlafsälen, vielmehr sollten die Kinder in kleinen Häusern geborgen wie in einer Familie leben. Bildung sollte ihnen Chancen eröffnen. Im Betsaal montierte Wichern den ersten Adventkranz: ein Wagenrad mit vier großen weißen Kerzen für die Adventsonntage und dazwischen kleinen roten für die Wochentage. Jeden Tag wurde eine weitere Kerze entzündet. Während draußen die Nächte länger wurden, wurde es drinnen im Betsaal immer heller und wärmer. Mit jeder Kerze wuchs die Hoffnung auf Weihnachten, das Fest der Geburt Jesu, der neue Hoffnung in unsere dunkle Welt getragen hat.

Licht und Wärme brauchen auch wir heute. Besonders jetzt, im zweiten Lockdown, der sich schlimmer anfühlt als der erste. Die Situation ist bedrohlicher als im Frühjahr – höhere Zahlen, die Gesundheitsversorgung an der Grenze. Draußen wird es dunkler, die Tage werden kürzer. Umso wertvoller ist mir heuer die Tradition, jeden Tag eine Kerze am Adventkranz zu entzünden. Kerze um Kerze schenkt der Adventkranz Hoffnung. Hoffnung heißt Mut zum Leben, auch in der Krise. Hoffnung heißt, gemeinsam nach vorne schauen, füreinander da sein, niemanden alleine lassen – so wie Pfarrer Wichern für die Straßenkinder da war und Licht und Wärme erzeugt hat.

ISSN 2222-2464

Diesen Beitrag teilen

Newsletter abonnieren

Der Newsletter von evang.at mit den wichtigsten Nachrichten des Evangelischen Pressedienstes (epd) ist kostenlos und erscheint in der Regel einmal pro Woche am Mittwoch.