19.02.2020

Fresacher Toleranzgespräche verlassen vertrautes Terrain

Superintendent Sauer: „Wir leben über unsere Verhältnisse“

Seit 2015 treffen sich im Kärntner Bergdorf Fresach Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Kultur, Politik und Kirchen, um über gesellschaftspolitisch brisante Themen zu diskutieren. Foto: Gerhard Kampitsch

Superintendent Sauer: „Wir leben über unsere Verhältnisse“

Wien/Klagenfurt/Fresach (epdÖ) – In Anlehnung an den biblischen Exodus widmen sich die diesjährigen Europäischen Toleranzgespräche in Fresach dem „Auszug aus dem Vertrauten“. Bei Medienterminen in Wien und Klagenfurt wurde in den vergangenen Tagen das Programm der Gespräche, die heuer von 27. bis 30. Mai stattfinden, präsentiert. Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst erklärte Manfred Sauer, Superintendent der Diözese Kärnten und Osttirol und Präsidiumsmitglied des „Denk.Raum.Fresach“ die Stoßrichtung des aktuellen Leitthemas: „Ein ganz besonderes Augenmerk liegt darauf, dass wir über unsere Verhältnisse leben. Die Folgen davon sind spürbar und sichtbar. Stichwort Klimawandel. Da ist ein gewisses Umdenken nötig, ein Auszug aus den vertrauten Gewohnheiten.“ Damit wolle man zum einen politische Entscheidungsträger ansprechen, zum anderen aber auch an jeden und jede Einzelne appellieren, eigene Verhaltensweisen zu überdenken: „Da ist die Frage an das Individuum, ob es in dieser kritischen Selbstreflexion auch bereit ist, Konsequenzen zu ziehen.“

Swoboda: Klimawandel und Migration bergen Konfliktpotenzial

Bei der Programmpräsentation am Donnerstag, 13. Februar, in Wien kündigte Kuratoriumspräsident Hannes Swoboda an, man werde sich in Fresach „mit der Frage auseinandersetzen, was Europa dazu beitragen kann, um die umweltbedingten und sozialen Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen“. Gemeinsam mit dem Thema Migration würde der Klimawandel Politik und Gesellschaft in Europa in den nächsten Jahren beschäftigen, so Swoboda. Beide würden ausreichend Sprengstoff für neue Konflikte bergen, aber auch unglaubliche Chancen für ein radikales Umdenken.

Oberzaucher: Krisen bieten Chancen zur Veränderung

Die Verhaltensbiologin Elisabeth Oberzaucher – eine der Hauptrednerinnen im Mai – verglich die aktuelle Situation der Menschheit mit jener ihrer Vorfahren in der Eiszeit. „Sie entschieden sich für den Exodus und wurden zu Nomaden“, erklärte die an der Universität Wien lehrende Wissenschaftlerin, die auch Mitglied der Kabarettgruppe „Science Busters“ ist. „Indem sie in großen Gruppen wanderten, konnten sie überleben.“ Dabei hätten sie Diversität zugelassen, durch die sich zwar immer wieder Konflikte ergaben, durch deren Lösung sich die Menschheit aber weiterentwickeln konnte wie nie zuvor. Mit dem aktuellen Klimawandel stehe wohl wieder ein Exodus bevor, meinte die Evolutionsbiologin. Die Veränderungen hätten damals auch Chancen geboten, durch die damalige Krise hätten die Menschen „Denken gelernt“, sagte Oberzaucher, die „Optimismus gegen die Depression“ setzen will.

Das Programm

Unter den Vortragenden und Diskutanten im Kärntner Bergdorf Fresach finden sich weitere prominente Namen, darunter der Umweltforscher und ehemalige SPD-Politiker Ernst Ulrich von Weizsäcker als Eröffnungsredner, die Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle, oder die Rapperin und Poetry-Slammerin Yasmin Hafedh.

Das Jugendforum am 27. Mai in der Villacher Fachhochschule befasst sich zum Auftakt mit der Umweltbewegung „Fridays for Future“, das Tourismusforum mit der unwiderstehlichen „Utopie des Reisens“ und der zerstörerischen „Natur des Menschen“.

Das Generalthema „Exodus – Auszug aus dem Vertrauten“ kommt am zweiten Tag mit Referaten, Diskussionen und Panels im Toleranzmuseum Fresach aufs Tapet. Der Bürgerdialog am Donnerstag auf dem Museumsplatz soll Erkenntnisse dazu liefern, wie man „Vom Verzicht zum Gewinn“ kommt. Dazu ergänzen Lesungen, ein Konzert und eine Sonderausstellung das Programm.

Das Wirtschaftsforum am dritten Tag geht der Frage nach, wie wir Klimawandel und CO2-Handel bewältigen und wie sich die Autoindustrie neu erfindet. Am Nachmittag drehen sich die Debatten um gerechte Steuern, die Zukunft der Landwirtschaft und den Umgang von Managern mit Verlust und Niederlagen. Ein „Dichterforum“ am Sonntag, 30. Mai, schließt die Tagung ab.

Die Europäischen Toleranzgespräche in Fresach finden seit 2015 jährlich zu Pfingsten statt. Veranstaltet werden sie vom „Denk.Raum.Fresach“, der sich als „interdisziplinäre Plattform für Kultur, Politik und Wirtschaft“ versteht. Kooperationspartner sind unter anderem die Evangelische Kirche, der P.E.N.-Club Austria, das Bundeskanzleramt, die Stadt Villach und die Universitäten in Klagenfurt und Krems. Im Dezember 2017 wurde der „Denk.Raum.Fresach“ für die Durchführung der Toleranzgespräche mit dem Kärntner Menschenrechtspreis ausgezeichnet. Weitere Informationen und das vollständige Programm finden Sie unter www.fresach.org.

ISSN 2222-2464

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