12.01.2019

Evangelische Kirche: Massive Kritik an neuem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz

Bischof Bünker zur Mindestsicherung: „Zurück an den Start“

Die Regierung solle die geplanten Maßnahmen zur Mindestsicherung noch einmal einer "grundlegenden Prüfung unterziehen", heißt es vonseiten des Evangelischen Oberkirchenrats. Foto: pxhere

Bischof Bünker zur Mindestsicherung: „Zurück an den Start“

Wien (epdÖ) – „Zurück an den Start“ will der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker in der Diskussion um die sogenannte „Mindestsicherung neu“. Das Ziel des neuen Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, Armut nachhaltig zu bekämpfen, werde verfehlt, bekräftigt der juristische Oberkirchenrat der Evangelischen Kirche A.u.H.B., Dieter Beck.

In einer dem Evangelischen Pressedienst vorliegenden Stellungnahme bezieht der Oberkirchenrat A.u.H.B., das Leitungsorgan der Evangelischen Kirche A.u.H.B. in Österreich, Position zu dem Ende November vorgelegten Bundesgesetzesentwurf, dessen Begutachtungsfrist am Donnerstag, 10. Jänner, endet. Grundsätzlich begrüßt der Oberkirchenrat die Bemühungen, auf Bundesebene einheitliche Regelungen zur Bekämpfung der Armut vorzugeben. Die Absicht werde jedoch „durch einige Aspekte erheblich relativiert, die zu Besorgnis Anlass geben“.

Kürzung für nicht am Arbeitsmarkt Vermittelbare „existenzgefährdend“

Grundsätzlich soll sich der allgemeine Netto-Ausgleichszulagensatzes künftig auf 863 Euro pro Person und Monat belaufen, wobei viele Eventualitäten zu berücksichtigen sind, die die tatsächlich bezogene Summe reduzieren können. Konkret kritisiert die Evangelische Kirche dabei unter anderem die Deckelung für Haushaltsgemeinschaften bei 1510 Euro monatlich. Das ergäbe bei einer fünfköpfigen Familie 302 Euro pro Person. Dazu heißt es in der von Bischof Bünker und Oberkirchenrat Beck unterzeichneten Stellungnahme: „Es erscheint zweifelhaft, dass die erforderliche Absicherung der Grundbedürfnisse der betroffenen Leistungsbezieher sichergestellt werden kann.“ Den Abzug von 35 Prozent des Netto-Ausgleichszulagensatzes bei nicht gegebener Vermittelbarkeit am Arbeitsmarkt sieht die Evangelische Kirche als „außerordentlich hoch und in vielen Fällen existenzgefährdend“.

Um 300 Euro soll auch die Sozialhilfe für Personen mit fehlenden Deutschkenntnissen gekürzt werden. Wer Deutsch nicht zumindest auf B1-Niveau des europäischen Referenzrahmens spricht, erhält künftig nur 563 Euro, alternativ gelten C1-Kenntnisse in Englisch. Diese Kürzung werde sich „nicht zuletzt dann als sehr negativ erweisen, wenn gleichzeitig eine ziemliche Kürzung der Deutschkurse geplant ist“, warnt die Evangelische Kirche.

Streichung für subsidiär Schutzberechtigte „besonders bedenklich“

Besonders bedenklich sei zudem der „gänzliche Ausschluss von Sozialhilfeleistungen von subsidiär Schutzberechtigten, zumal diese Personen in der Regel mittellos sind“. Diese Personen, denen eine vorübergehende Aufenthaltserlaubnis in Österreich gewährt wird, würden „vermehrt auf die Leistungen von karitativen Organisationen angewiesen sein, um irgendwie in Österreich überleben zu können“.

Gänzlich von Sozialleistungen ausgeschlossen sein sollen künftig auch Straffällige, die rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten verurteilt wurden. Die Dauer des Entzugs der Sozialhilfe entspricht dabei der Zeit in Haft; da die Streichung der Bezüge jedoch erst mit Rechtskräftigwerden des Urteils schlagend wird, kann sie über den eigentlichen Haftaufenthalt hinausreichen: „Diese Maßnahme läuft erfahrungsgemäß  den Bestrebungen der Resozialisierung dieser Personen nach verbüßter Haft zuwider.“ Besonders bedenklich sei vor allem, dass durch diese Maßnahme zusätzlich zur eigentlichen Strafe eine „adäquate öffentliche Sanktionswirkung“ erzielt werden solle.

Mit Verweis auf die angeführten Punkte ersucht der Oberkirchenrat die Bundesregierung daher, „im Sinne einer erforderlichen fürsorglichen Betreuung von hilfsbedürftigen Personen durch den Staat im Rahmen des Armenwesens, die geplanten Maßnahmen nochmals einer grundlegenden Überprüfung zu unterziehen.“

Den vollen Wortlaut der Stellungnahme finden Sie hier.

ISSN 2222-2464

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