13.05.2020

Superintendent Dantine: „Gab zu wenig Gerechte in den christlichen Kirchen“

75 Jahre Kriegsende – Gegenseitiges Vertrauen in globalen Krisen

„Das alte Lied von der Größe der eigenen Nation, das mit einem martialischen Getöse beginnt: ‚Wir zuerst‘, ist noch nicht verklungen“, sagt Olivier Dantine. Im Bild: Soldatengräber am Wiener Zentralfriedhof. Foto: wikimedia/GuentherZ/cc by sa 3.0

75 Jahre Kriegsende – Gegenseitiges Vertrauen in globalen Krisen

Innsbruck (epdÖ) – Zum 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa am 8. Mai hat der Salzburger und Tiroler evangelische Superintendent Olivier Dantine an die Notwendigkeit erinnert, globalen Krisen und Herausforderungen in Kooperation und mit gegenseitigem Vertrauen zu begegnen, nicht aber mit Blick auf nationale Interessen. Das gelte nicht nur für die Bekämpfung der Corona-Pandemie, sondern auch für die „Hoffnung auf eine friedliche Welt“, betonte Dantine in seiner auf der Website der Salzburger und Tiroler Superintendenz gestreamten Predigt für Sonntag, 10. Mai.

Zu wenig Gerechte hätte es zur Zeit des Nationalsozialismus gegeben, sagte Dantine in Anlehnung an ein Urteil der Historikerin Erika Weinzierl: „Zu wenig Gerechte gab es auch in den christlichen Kirchen. Allzu viele haben keine Unvereinbarkeit gesehen zwischen dem Bekenntnis zu dem einen Gott und dem einen Herrn Jesus Christus und dem Bekenntnis und dem Treueeid zum Führer.“ In der lutherischen Kirche hätten die Gründe dafür einerseits in einer falsch verstanden Zwei-Reiche-Lehre Martin Luthers bestanden, die die „totale Unterwerfung“ der Kirche unter den Staat nach sich zog; andererseits aber in einer über Jahrhunderte aufgebauten christlichen Judenfeindschaft: „Dieser Antisemitismus saß so tief in den Kirchen, dass auch dieser ein Grund für die Blindheit der meisten Kirchenmitglieder war.“

75 Jahre später sei auch heute noch innerhalb der Kirchen einiges zu tun, „um das menschenverachtende Gegröle zum Verstummen zu bringen“. Gleichwohl habe sich in den Kirchen seitdem vieles bewegt: Etwa die Anerkennung der Demokratie, ein neues Verhältnis zum Judentum, ständiger Einsatz „gegen menschenverachtende Ideologien“. Zudem habe die ökumenische Bewegung verstärkt zu einem internationalen Denken geführt.

Dennoch: „Das alte Lied von der Größe der eigenen Nation, das mit einem martialischen Getöse beginnt: ‚Wir zuerst‘, ist noch nicht verklungen, im Gegenteil, es scheint wieder lauter zu werden. Auch das alte Lied des Antisemitismus ist nicht verstummt.“ So sei der Auftrag an die Kirchen: „Gebt alleine Gott die Ehre! Achtet seine Geschöpfe, achtet jeden Menschen als Gottes Ebenbild.“

Die vollständige Predigt im Stream finden Sie auf www.sichtbar-evangelisch.at/news

ISSN 2222-2464

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