17.03.2021

Theologe Domsgen: „Wir müssen die andern anders glauben lassen“

Internationale Theologische Bodenseekonferenz zur Kommunikation mit Konfessionslosen

Der deutsche Theologe Michael Domsgen plädierte dafür, Konfessionslose nicht über einen Kamm zu scheren. Foto: Zoom

Internationale Theologische Bodenseekonferenz zur Kommunikation mit Konfessionslosen

Bregenz/Ravensburg/Halle (epdÖ) – In der Diskussion über Konfessionslose „nicht von Aliens“ zu sprechen, sondern „den Blick immer auch auf uns zu richten“ rät der deutsche evangelische Theologie Michael Domsgen. „Wir werden immer geprägt von denen, mit denen wir gemeinsam leben, auch wenn wir ihre Vorstellungen nicht teilen“, sagte der in Halle lehrende Domsgen bei einem Vortrag im Rahmen der Internationalen Theologischen Bodenseekonferenz am Freitag, 12. März. Auch könnten Kirchen nicht erwarten, dass Menschen „die anders religiös sozialisiert sind, in dieselbe Glaubenswelt einsteigen wie wir“. Sie würden im Kontakt mit Kirchen eigene Zugänge entwickeln: „Wir müssen die anderen anders glauben lassen und dabei unterstützen“, so Domsgen in seinem Online-Vortrag. Wollen sie die Annäherung und das religiöse Lernen Kirchenferner fördern, hieße das für Kirchen daher immer, „von den Lernenden her“ zu denken.

Domsgen kritisierte die im Begriff der „Konfessionslosigkeit“ implizit enthaltene Voraussetzung eines Mangels. Diese gehe davon aus, dass die Zugehörigkeit zu einer Konfession der Normalzustand sei. Mitgemeint sei da immer die Haltung „da fehlt etwas, ist nicht vollständig“. Zudem tendiere der Begriff dazu, zu homogenisieren, dabei gehe es um ein Feld „mit multiplen Säkularitäten“. So gebe es an den Enden eines vielfältigen Spektrums beispielsweise volldistanzierte Atheisten, die jede Form von Religion ablehnen, aber auch gläubige Konfessionslose, die ihren Glauben individuell leben, aber keiner Kirche angehören.

„Religion lernt man auch von innen nach außen“

Soll ein Gespräch mit Menschen aus diesen Gruppen zustande kommen, gehe es letztlich darum, „andere Selbstverständlichkeiten wahrzunehmen“, die stark durch Sozialisierung und Erziehung geprägt seien. So habe zum Beispiel eine Untersuchung aus Sachsen-Anhalt gezeigt, dass viele Jugendliche zwar nicht an Gott glaubten, auch keinen Bezug zur Kirche hätten, aber dennoch beteten, da sie Vorbilder dafür in den Medien gefunden hätten. Sich einer Kirche oder Glaubensrichtung anzunähern bedeute für sie, sich von ihrer eigenen Sozialisierung zu lösen: „Das ist ein langer Weg der Neuausrichtung.“ Religion lerne man nicht nur von außen nach innen, sondern von innen nach außen. Für die Kirchen müsse es dabei darum gehen, „realistische Brötchen“ zu backen: „Es geht darum, Sinn für den Sinn von Religion entwickeln. Wenn Menschen verstanden haben, dass es sinnvoll sein kann, Religion zu haben, dann ist das schon wahnsinnig viel“, so Domsgen.

Die Internationale Theologische Bodenseekonferenz versteht sich als Begegnung und Fortbildung für Pfarrer*innen, Religionspädagog*innen, haupt-, neben- und ehrenamtliche Mitarbeiter*innen in Kirche und Gemeinde und weitere Interessierte. An dem virtuellen Event am 12. März nahmen rund 60 Teilnehmer*innen aus der Schweiz, Deutschland und Österreich teil. Vorbereitet hatte die Tagung ein achtköpfiges Organisationsteam, unter anderem mit dem Bregenzer evangelischen Pfarrer Ralf Stoffers.

ISSN 2222-2464

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