02.05.2021

Teilhaben

Maria Katharina Moser über das Recht auf ein selbständiges Leben

"Die Hand, die Petrus dem Mann reicht, ist ein Bild für die Unterstützung, die dieser braucht, um sein Leben selber in die Hand nehmen zu können." Foto: pixabay

Maria Katharina Moser über das Recht auf ein selbständiges Leben

Der Tag der Arbeit, den Österreich am heutigen 1. Mai begeht, ist nicht nur ein Feiertag. Er ist ein Tag der Solidarität und ein Tag der Forderungen. Eine besondere Forderung hat Herr B.: Er wünscht sich, dass alle Menschen in Österreich Zugang zu so genannten Assistierenden Technologien bekommen. So wie er selbst.

Herr B. hat schwere Spasmen. Trotzdem geht er ganz normal arbeiten. Schon mehr als zehn Jahre ist er als Vertragsbediensteter in einem Krankenhaus angestellt. Dort arbeitet er in der Datenerfassung. Möglich ist das, weil er statt einer herkömmlichen Maus eine Augensteuerung hat, mit der er den Computer bedient. „Im unteren Drittel des Bildschirms ist meine selbst angepasste Tastatur eingeblendet“, erzählt er. „Durch den Blickkontakt wird die Ansteuerung der Buchstaben in Millisekunden ausgelöst. Damit schreibe ich so flott, dass ich sogar manche Kollegin ins Schwitzen bringe.“

Menschen mit Behinderung dabei zu unterstützen, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen können, ist auch in der Bibel Thema. In der Apostelgeschichte wird erzählt, dass Petrus, als er in den Tempel geht, bei einem Bettler vorbeikommt. Er ist gelähmt und auf Almosen angewiesen. Doch anstatt ihm im Vorübergehen schnell etwas in die Hand zu drücken, sagt Petrus zu ihm: „Sieh uns an!“ Er tritt in Blickkontakt, in Beziehung mit ihm und fordert ihn auf: „Im Namen Jesu Christi von Nazareth steh auf!“ Petrus reicht ihm seine rechte Hand und richtet ihn auf. Ein weiteres ungewöhnliches Beziehungsangebot, denn Wohltätige damals hatten Angst davor, Bettler zu berühren. Der Bettler springt auf.

Die Hand, die Petrus dem Mann reicht, ist ein Bild für die Unterstützung, die dieser braucht, um sein Leben selber in die Hand nehmen zu können. An dieses Bild anknüpfend, können wir heute sagen: Im Namen Jesu, du sollst einen Rechtsanspruch auf Assistierende Technologien haben, damit du dein Leben selbständig gestalten kannst. Wie Herr B.

Technologische Hilfsmittel wie Sprachcomputer geben Menschen mit Sprachbehinderungen eine Stimme, Augensteuerungen oder eine Maus, die mit dem Mund bedient wird, ersetzen die Tastatur. Der technische Fortschritt bietet viele Möglichkeiten. Allerdings gibt es weder einen Rechtsanspruch auf diese Hilfsmittel noch eine einheitliche Finanzierungshilfe – beides wichtige Forderungen zum 1. Mai und zum Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai. Denn Assistierende Technologien ermöglichen Teilhabe am Arbeitsmarkt.

ISSN 2222-2464

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