22.01.2015

Kärnten: „Europäische Toleranzgespräche“ in Fresach

Protestantische Berggemeinde als Ort für europäischen Dialog

Bis weit ins 18. Jahrhundert hinein rang die Fresacher Bevölkerung um Glaubens- und Gewissensfreiheit - nun soll die Kärntner Gemeinde als Ort des europäischen interkonfessionellen und interreligiösen Dialogs etabliert werden. Im Bild: Das evangelische Diözesanmuseum Fresach (Foto: Uschmann/epdÖ)

Protestantische Berggemeinde als Ort für europäischen Dialog


Fresach (epdÖ) – Vertreter aus Kirche, Politik und Wissenschaft haben am  Donnerstag, 22. Januar, den neugegründeten „Denk.Raum.Fresach – Verein für Toleranz und Integration in Europa“ (DRF) in der Alpen-Adria-Universität in Klagenfurt vorgestellt. Ziel des Vereins sei es, die kleine Kärntner Berggemeinde Fresach als Ort für den europäischen Dialog über Toleranz, Integration und Menschenrechte zu etablieren.

Das protestantisch geprägte Fresach sei deswegen ein idealer Ort für ein solches Forum, da er in seiner Geschichte vielfach Schnittpunkt geistiger, konfessioneller und politischer Strömungen war. In Fresach kämpfte die Bevölkerung über Jahrhunderte um Religionsfreiheit und Selbstbestimmung, ein Bethaus aus dem Jahr 1784 und das Evangelische Museum geben noch heute davon Zeugnis. Der Verein wird am 22. und 23. Mai die ersten „Europäischen Toleranzgespräche“ in Fresach organisieren, Europaparlamentspräsident Martin Schulz hat bereits sein Kommen zugesagt.

Für den ehemaligen Europaparlamentarier und neuen Präsidenten des „Denk.Raum.Fresach“ Hannes Swoboda bietet Fresach auf Grund seiner geografischen Lage und Geschichte einen hervorragenden Hintergrund für die Auseinandersetzung mit der Diversität und Vielfältigkeit der europäischen Gesellschaften. „Gerade die jüngsten Ereignisse und das neue politische Misstrauen müssen durch Toleranz und Akzeptanz verschiedener Lebensformen überwunden werden. Nur so können auch Vorurteile abgebaut werden“, so Swoboda bei der Vorstellung vor Journalisten.

Mit ihm präsentierten den „Denk.Raum“ der evangelische Superintendent der Diözese Kärnten/Osttirol Manfred Sauer, der Kärntner Landtagspräsident Reinhard Rohr, die Geschäftsführerin des Evangelischen Diözesanmuseums Fresach Hilde Schaumberger, die Geschäftsführerin der Industriellenvereinigung Kärnten Claudia Mischensky, der Universitätsrektor der Alpen-Adria-Universität Oliver Vitouch sowie der Präsident des PEN- (Poets, Essayists, Novelists) Clubs Austria Helmuth A. Niederle.

Superintendent Sauer unterstrich, dass Toleranz seit jeher zentrales Thema der protestantischen Geschichte sei. „Wir versuchen, die Erfahrungen aus Geschichte und Gegenwart, von Verfolgung über Duldung bis zur gleichberechtigten Anerkennung, nicht nur für den interkonfessionellen und religiösen Dialog fruchtbar zu machen, sondern auch sehr selbstkritisch zu fragen: Wo gibt es heute soziale Ausgrenzung und wie gehen wir mit unterschiedlichen Ideologien, Überzeugungen und Haltungen um?“ Gerade auch im Hinblick auf die jüngsten schrecklichen Erfahrungen mit religiös motiviertem Terror sei es eine große Herausforderung, Ursachenforschung zu betreiben und mögliche neue Modelle der Koexistenz zu entwickeln, sagte der Superintendent.

Für Landtagspräsident Rohr ist der neue Verein die logische Konsequenz der erfolgreichen Landesausstellung 2011 „Glaubwürdig bleiben – 500 Jahre protestantisches Abenteuer“. „Mit dem ‚Denk.Raum.Fresach‘ wird das Ausstellungsgebäude als Veranstaltungsort für aktuelle Themen sinnerfüllt nachgenutzt, und Fresach bekommt die Chance, zum Zentrum des Dialoges weit über unsere Landesgrenzen hinaus zu werden“, betonte Rohr. Er wünsche dem DRF, dass es zu einem Ort der Begegnung werde, an dem Menschen aus der ganzen Welt zu Gesprächen und Diskussionen und auf der Suche nach Antworten für die Zukunft zusammentreffen.

Hilde Schaumberger freut sich, als Geschäftsführerin des Diözesanmuseums den Europäischen Toleranzgesprächen „Heimat, Stützpunkt und Wurzeln“ geben zu können. Es sei ein ganz besonderes inhaltliches Zeichen, dass diese Gespräche in einem Bergdorf mit 1200 Einwohnern stattfinden, wo „Natur, Dorfgemeinschaft, wo Nähe, aber auch Angst vor dem Unbekannten, vor Fremden so persönlich greifbar“ seien, erklärte Schaumberger.

Gerade heute brauche es mehr denn je Dialog in Fragen der Gesellschaftspolitik, der Kultur, der ökonomischen und ökologischen Zukunft oder des Zusammenlebens unterschiedlichster Völker und Traditionen , meinte Claudia Mischensky von der Industriellenvereinigung: „Ganz Europa steht noch im Bann der Anschläge von Paris. Die Überwachung zu verstärken und mit aller Härte der Gesetze durchzugreifen, wird nicht reichen.“

Unirektor Oliver Vitouch sieht gerade im interdisziplinären Ansatz der Fresacher Gespräche mit TeilnehmerInnen aus Kunst, Kultur, Wissenschaft und Politik ein wichtiges Zeichen. So könne es zu neuen und erfolgreichen Denkanstößen in Sachen Dialog und Integration kommen. Auch PEN-Club-Präsident Niederle ortet die Chance „das freie, aber verantwortungsbewusste Gedankenspiel zu pflegen und mitzugestalten, das in der raschen medialen Berichterstattung und im politischen Diskurs meistens vernachlässigt wird.“

Bereits bei der Landesausstellung 2011 „Glaubwürdig bleiben – 500 Jahre protestantisches Abenteuer“ war Fresach Gastgeber für insgesamt 70.000 Ausstellungsbesucher. Durch die Einladung anerkannter internationaler Vortragender (Schriftsteller, Philosophen und Wissenschafter) will sich Fresach nunmehr als europäisches Dialogforum für Toleranz positionieren und sich damit nachhaltig auf der europäischen Kultur- und Wissenslandkarte verankern.

Die Europäischen Toleranzgespräche sollen im Rahmen einer Schwerpunktwoche alljährlich vor Pfingsten (eingebettet in den Kärntner Kulturfrühling) stattfinden, im Jahr 2015 erstmals vom 21. bis 23. Mai. Die Veranstaltungen sind für Publikum offen und werden durch eine auf das jeweilige Veranstaltungsthema reflektierende Sonderausstellung begleitet. Die Finanzierung der ersten Europäischen Toleranzgespräche 2015 soll überwiegend aus privaten Mitgliedschaften und Firmenpartnerschaften erfolgen, über öffentliche Unterstützung wird noch verhandelt. Eintrittskarten kosten 50 Euro, für Ortsansässige und Studenten 25 Euro.

Informationen und Anmeldung unter www.fresach.org

ISSN 2222-2464

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