16.06.2020

Gefragt werden

Michael Chalupka über das Leben in Pflegeheimen

"Kein Kontakt bedeutete Einsamkeit und eine seelische Quälerei. Kontakte mit anderen konnten eine tödliche Krankheit mit sich bringen und im Pflegeheim das Risiko, auch noch andere anzustecken." Foto: pixabay

Michael Chalupka über das Leben in Pflegeheimen

Gibt es Lockerungen, muss es vorher Einschränkungen gegeben haben. Für alte und pflegebedürftige Menschen waren diese Beschränkungen besonders einschneidend und belastend. Sie gehören zu den Risikogruppen und sollten geschützt werden. Sie mussten nicht nur auf den gewohnten Besuch der Enkelkinder oder auf den Spaziergang verzichten, auch Ehepaare konnten sich nicht sehen, wenn ein Teil im Heim lebt. Bei den nun erfolgten Lockerungen der Corona-Maßnahmen standen die für Pflegeheime am Schluss.

Angehörige und Pflegende standen vor einem Dilemma. Kein Kontakt bedeutete Einsamkeit und eine seelische Quälerei. Kontakte mit anderen konnten eine tödliche Krankheit mit sich bringen und im Pflegeheim das Risiko, auch noch andere anzustecken. Jetzt ist es wichtig, für die Zukunft zu lernen, wie es gelingen kann, Schutz und Freiheit miteinander zu verbinden. Der Schutzgedanke darf zu keinem Vorwand werden, Menschen in ihrer Freiheit zu beschränken.

In der Apostelgeschichte heißt es: „Eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben!“ Träume wollen in jedem Alter gelebt werden. Auch wenn sie bescheiden sind. Frau A. konnte lange Zeit ihr Zimmer im Pflegeheim nicht verlassen und ihre Tochter nicht sehen. All das geschah zu ihrem Schutz, sagte man ihr. „Aber ich bin nicht einmal gefragt worden, ob ich das will!“, sagte Frau A. Gefragt zu werden, darf kein Traum bleiben.

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Chalupka | Pflege | Coronavirus

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