15.11.2023

„Energy WITH Spirit“: Theologisches Konzept für solidarische Energiegemeinschaften vorgestellt

Koordinator Öhler bei Podiumsdiskussion: „Weg aus Dilemma gelingt nur gemeinschaftlich“

Diskutierten die Relevanz des theologischen Konzepts „Energy WITH Spirit“ für die heutige Gesellschaft (v.l.n.r.): Bente Knoll (Geschäftsführerin des Büros für nachhaltige Kompetenz B-NK GmbH), Patrick Fuchs (Österreichische Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaften), Markus Öhler (Theologe und Koordinator von „Energy WITH Spirit“) und Kerstin Schilcher (Österreichische Energieagentur). (Foto: epd / M. Link)

Koordinator Öhler bei Podiumsdiskussion: „Weg aus Dilemma gelingt nur gemeinschaftlich“

Wien (epdÖ) – Expert:innen diskutierten am Montag, 13. November, im Albert Schweitzer-Haus in Wien-Alsergrund über das theologische Konzept „Energy WITH Spirit“, das als Basis für die pionierhafte Umsetzung einer solidarischen Energiegemeinschaft im evangelisch-diakonischen Bereich in Österreich dient.

Das Projekt „Energy WITH Spirit“ will einen Beitrag leisten, die Herausforderungen der Energiekrise zu bewältigen. Bei dem mit Mitteln des Klima- und Energiefonds geförderten Projekt werden vulnerable Bevölkerungsgruppen aktiv in die Energiewende einbezogen.

„Welche Möglichkeiten ergeben sich durch den eher unkonventionellen Zugang, die Verbindung der theologischen Wissenschaft mit der Praxis in der Energiewende?“ fragte Bente Knoll, Geschäftsführerin des Büros für nachhaltige Kompetenz B-NK GmbH, die die hybride Veranstaltung moderierte.

Bei dem präsentierten partizipativen Modell spiele die Gemeinschaft eine „zentrale Rolle“, sagte Markus Öhler, Theologe und Koordinator des theologischen Konzepts „Energy WITH Spirit“. Die Gemeinschaft wirke als Grundprinzip – und die Kontrolle erfolge durch die Mitglieder. „Kleine Gemeinschaften gestalten nach eigenen Regeln und bilden eine eigene Identität aus“, betonte Öhler und verwies auf den Galaterbrief, der das gemeinschaftliche Tragen der Last anderer beinhaltet. Auf dieses biblische Element beziehe sich auch das Selbstgestaltungsprinzip der Gemeinschaft. Zu berücksichtigen seien auch die Einflüsse von außen sowie die „Orientierung an den Vorteilen der Mitglieder“.

Öhler hob die „Gottebenbildlichkeit“ als einen zentralen Begriff des Konzepts hervor. Es gelte, damit Menschen „auf eine egalitäre Ebene“ zu führen. Daraus ergebe sich die gegenseitige Unterstützung und Verpflichtung, auf solidarische Weise zu helfen. Im Alten Testament fänden sich viele Hinweise, Schwache, Bedürftige, Witwen und Waisen im Sinne einer Wohltäterschaft zu unterstützen. Eine große Rolle im theologischen Konzept spiele Öhler zufolge auch das Neue Testament, konkret die Bibelstelle über das Weltgericht (Mt 25). Dieser Text basiere auf dem Alten Testament und bringe zum Ausdruck, für Handlungen „am Ende Rechenschaft abgeben“ zu müssen. „Wir legen Rechenschaft ab vor den künftigen Generationen, wie solidarisch oder unsolidarisch wir sind“, unterstrich Öhler. Es werde sich später zeigen, „ob wir vor diesem ‚Generationengericht‘ bestehen können“. Bei der Energiewende gehe es allerdings nicht nur um Solidarität, „sondern auch um den Planeten insgesamt“ und die „globale Gerechtigkeit für einen gesunden Planeten, die Beendigung der eklatanten Ungleichheit“. Öhler führte dabei im Sinne einer evangelischen Ethik die der Verantwortung zugrunde liegende Freiheit ins Treffen. Von Bedeutung seien dabei auch die Ermächtigung von Frauen und der Aufbau eines gesunden Nahrungsmittelsystems, sagte Öhler.

„Frauen und ältere Menschen sind stärker von Energiearmut betroffen“, erklärte Kerstin Schilcher von der Austrian Energy Agency (Österreichische Energieagentur, AEA). Für sie ist die Beseitigung der wachsenden Energiearmut ein wichtiges Ziel der solidarischen Energiegemeinschaften. Betroffene seien dabei mit einem geringen Einkommen und der „Nichtleistbarkeit von Energie“ konfrontiert, wobei Energiearmut Schilcher zufolge „ein multidimensionales Problem mit vielen Facetten“ sei. Die Frage sei dabei, wie vulnerable Gruppen aktiv in die Kehrtwende mitgenommen werden können.

Patrick Fuchs von der Österreichischen Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaften sieht eine Möglichkeit zur Bekämpfung von Energiearmut in der Förderung von „Literacy“ bzw. eines Grund-Knowhows. Damit, so Fuchs, „können die Menschen die Messdaten verstehen, und dann kann man bis zu gewissem Grad etwas gegen Energiearmut tun“. Dazu könnten Energiegemeinschaften „bewusstseinsbildend agieren oder wirken“.

„Ein großes Thema ist die ‚versteckte Energiearmut‘“, merkte Kerstin Schilcher an. Dabei berichtete sie von Menschen, die aus Scham ihre Energiearmut nicht kommunizieren wollen. Allerdings seien in Österreich viele Maßnahmen gesetzt worden wie die Klimaschutzinitiative des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) und die „soziale Energieberatung“. Diese ermögliche eine Ausstattung mit Energiegrundwissen, denn bei einer solidarischen Energiegemeinschaft gehe es darum, als „Brücke zur Energiewende alle Menschen mitzunehmen“. Dazu brauche es Menschen mit Vertrauen, „weil Vertrauen die Voraussetzung ist“, bekräftigte die Energieexpertin.

„Wir sollten uns als Kirchen mehr damit beschäftigen, dass es mehr Leute gibt, die sich nicht heraustrauen aus ihrem Beschämtsein“, meinte Öhler. Kirchen sollten etwa überlegen, welche Möglichkeiten der Beratung für vulnerable Gruppen nötig wäre, denn auch mangelndes Wissen könne zu Scham führen. Der Theologe erinnerte daran, dass die christliche Theologie auf etwas „zutiefst mit Schande“ Besetztes basiere – den Tod am Kreuz.

„Wie kann man Kindern und Jugendlichen das Thema Solidarität näher bringen?“ fragte Ralf Dopheide, Inhaber GartenBox Dipl.-Ing. Ralf Dopheide e.U. und Mitgründer des Instituts zur Unterstützung und Förderung von solidarischen Energiegemeinschaften, das Podium. „Über die beratende Schiene kann man sich überlegen, wie man besser an Schulen herankommt und ihnen das Thema stärker näherbringen kann“, antwortete Fuchs. Die Österreichische Koordinierungsstelle für Energiegemeinschaften kooperiere zwar „stark mit Energieberatungen in den Bundesländern“, allerdings gebe es an den Schulen „viel zu tun“, räumte der Experte ein.

Wichtig sei auch das Bewusstsein, dass es global einen solidarischen und verantwortungsvollen Zusammenschluss brauche, meinte Markus Öhler, denn „alle Menschen leben auf einem Planeten. Der Weg aus dem Dilemma gelingt nur gemeinschaftlich.“

ISSN 2222-2464

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