Diakonie-Asylexperte Riedl: „Menschenrechtsarbeit eckt an“
Wien: Handelsgericht wies ICMPD-Klage gegen „SOS Balkanroute“ ab
Wien: Handelsgericht wies ICMPD-Klage gegen „SOS Balkanroute“ ab
Wien (epdÖ) – Die Diakonie, Caritas, Amnesty International und rund 40 weitere Organisationen fordern in einem offenen Brief von der österreichischen Bundesregierung, eine Gesetzgebung zur Verhinderung von sogenannten „SLAPP“-Klagen, bei welchen das Justizsystem missbraucht und Kritiker eingeschüchtert werden sollen. Hintergrund ist der Prozess gegen die NGO „SOS Balkanroute“ vor dem Handelsgericht Wien. „Wir sind besorgt über die Tendenz, Solidarität mit geflüchteten Menschen zu bestrafen und damit die Unterstützung von Menschen auf der Flucht zu verunmöglichen“, hieß es in der Aussendung vom 18. Juli.
„Menschenrechtsarbeit eckt an und wird angefeindet, weil sie Missstände sichtbar macht“, erklärte Christoph Riedl, Asyl- und Menschenrechtsexperte der Diakonie. Jedoch seien nicht die Hilfsorganisationen als Überbringer der Nachricht von Menschenrechtsverletzungen das Problem, sondern deren Verursacher, betonte Riedl. Die „SOS Balkanroute“ mache Menschenrechtsarbeit, indem sie etwa „entrechtete Menschen auf der Flucht unterstützt“. Unter den kirchlichen Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern sind beispielsweise die Katholische Aktion (KA), die Franziskanischen Schwestern von der Schmerzhaften Mutter sowie das Missionshaus St. Gabriel.
ICMPD-Klagen abgewiesen
Indessen sind am Wiener Handelsgericht am 18. Juli die Klagen gegen die NGO SOS Balkanroute und deren Gründer Petar Rosandić abgewiesen worden. Geklagt hatte das in Wien ansässige Internationale Zentrum für Migrationspolitik (ICMPD) wegen des Wortes „Guantanamo“. Rosandić hatte so eine vom ICMPD errichtete Internierungsanstalt innerhalb des bosnischen Flüchtlingslagers Lipa bezeichnet.
Das ICMPD hatte auf Unterlassung und Widerruf geklagt. Für die Anwältin Maria Windhager, welche die NGO und Rosandić vertritt, sei die Frage der Auslegung ein vorgeschobenes Argument. Windhager ortete eine sogenannte SLAPP-Klage „wegen unliebsamer Kritik“. SLAPP steht im Englischen für „Strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“ („Strategic Lawsuits against Public Participation“). Bewusst auch durch die zweite Klage gegen Rosandić persönlich sollen „die Beklagten offensichtlich eingeschüchtert werden“, so Windhager.
Richter Andreas Pablik argumentierte, er habe den Vorwurf hinsichtlich des Wortes „Guantanamo“ geprüft. „Ich sehe die Grenze nicht als überschritten an, ich gehe davon aus, dass das durchaus von der EMRK gedeckt ist“, so Pablik. Damit berief er sich auf die im Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) festgeschriebene Freiheit auf Meinungsäußerung. „Umso mehr der Verdacht besteht, dass etwas schief läuft, umso mehr braucht es NGOs oder auch staatliche Stellen. Es bedarf Diskussionen und Leute, die hinschauen, und die möglicherweise überschießend reagieren“, erklärte Pablik. ICMPD-Anwältin Ulrike Zeller kündigte an, Berufung einzulegen.
ISSN 2222-2464