07.10.2024

Beate Hofmann: Begegnungen im Alltag entscheidend für Glaubwürdigkeit des Evangeliums

Bischöfin der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck predigte in der Reihe „Was Hirtinnen zu sagen haben“

„Was wir als Kirche sagen, wird gemessen an dem, was wir tun oder nicht tun“, sagte Bischöfin Beate Hofmann in ihrer Predigt in Wien. (Foto: Stefan Haider)

Bischöfin der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck predigte in der Reihe „Was Hirtinnen zu sagen haben“


Wien (epdÖ) – Seit fünf Jahren steht Beate Hofmann als Bischöfin an der Spitze der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck. Am Sonntag, 6. Oktober, bildete ihre Predigt in der Lutherischen Stadtkirche in Wien den Abschluss der Reihe „Was Hirtinnen zu sagen haben“. Initiiert wurde diese Predigtreihe von Bischof Michael Chalupka, der damit kirchenleitende Frauen vor den Vorhang holte.

Als Beate Hofmann bei ihrer Wahl im Mai 2019 bereits im zweiten Wahlgang eine überwältigende Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen konnte, war ihre einzige Mitbewerberin ebenfalls eine Frau im kirchenleitenden Amt. Dass man Frauen diese Leitungsämter zutraut, habe „eine gewisse Normalität“, sagt die Bischöfin im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Der Anteil an Frauen etwa im Dekansamt habe sich massiv erhöht, dennoch sei es schwieriger geworden, Frauen für Leitungsämter in der Kirche zu motivieren. „Frauen gehen sehr viel zögerlicher in diese Positionen als Männer“, beobachtet die Bischöfin. Das könne sich erst wieder ändern, „wenn Strukturen sorgefreundlicher werden“, und der mit dem Amt erwartete Stressfaktor dann nicht mehr ein so großes Hindernis bilde.

In den Kirchen brauche es gezielte Förderung von Frauen. In der Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie müsse nicht nur die Kindererziehung, sondern auch die Sorgeverantwortung für zu pflegende Familienangehörige in den Blick genommen werden. Wenn sich weniger Frauen als Männer für kirchenleitende Ämter motivieren ließen, sei das „immer auch eine Frage, wie gut mein Unterstützungssystem ist“.

Die Bischöfin zeigt sich im Gespräch als Befürworterin einer Quotenregelung – „wenn es die gibt, hält man bei Nominierungen gezielt Ausschau nach Frauen“ – und verweist auf das entsprechende Gremienbesetzungsgesetz ihrer Kirche. Persönlich hat Beate Hofmann, die bereits vor ihrer Wahl zur Bischöfin eine Leitungsposition im diakonischen Bereich innehatte, die Vernetzung mit anderen Frauen in leitenden Funktionen als hilfreich erlebt. Es brauche ein tragfähiges Netzwerk um zu reflektieren und sich begleiten zu lassen, innerhalb der Kirche aber ganz besonders auch außerhalb. „Ganz wichtig sind mir auch Freundschaften und Orte, wo ich aus der Rolle raus kann“, erzählt Hofmann. Gute Unterstützung sei essentiell, „damit man auch Mensch bleibt“. Potentielle Kandidatinnen für Leitungsämter möchte sie ermutigen, diese Aufgaben wahrzunehmen, sich mit anderen Frauen gut zu vernetzen und „sich nicht ins Bockshorn jagen zu lassen“. Das Amt der „obersten Hirtin“ habe sich verändert, Transformationsprozesse einer Großorganisation prägten heute verstärkt auch Kirchen. „Es hilft, wenn man hier aus der Organisationsentwicklung Kenntnisse und Kompetenzen mitbringt“, meint Hofmann. Das sei nicht geschlechtsspezifisch, sie erlebe in ihrem Bereich, dass bei Wahlen das Geschlecht keine Rolle spiele, sondern es immer um die bestmögliche Qualifikation gehe.

Eintreten gegen Rassismus „Zeugnis, das wir der Welt schulden“

In der Lutherischen Stadtkirche predigte die Bischöfin über das Wort des Apostel Paulus im Korintherbrief „Ihr seid ein Brief Christi“. Dieses gelte auch heute: „Was wir als Kirche sagen, wird gemessen an dem, was wir tun oder nicht tun“, erklärte Hofmann. Viele Menschen fänden einen Zugang zur Kirche „nicht durch das, was wir in Predigten oder in Presse-Statements sagen, sondern durch das, was sie ganz konkret in und mit Gemeinden erleben“. Begegnungen vor Ort im Alltag der Menschen seien entscheidend für die Glaubwürdigkeit des Evangeliums. „Wo wir Menschen ganz konkret durch Worte und Zeichen zusprechen: Gott sieht dich, Gott begleitet und stärkt dich, da lassen sich Menschen gerade in diesen unruhigen, krisenhaften Zeiten anrühren und segnen oder gar taufen“, sagte Hofmann und berichtet etwa von einem Tauffest in Kassel, bei dem sich kürzlich 38 Menschen in offenen Kirchen taufen ließen.

Pfarrerin Julia Schnizlein, Bischöfin Beate Hofmann und Bischof Michael Chalupka beim Gottesdienst in der Lutherischen Stadtkirche in Wien. (Foto: Stefan Haider)

Deutlich wandte sich Hofmann in ihrer Predigt gegen „sichtbare oder unsichtbare Mauern“ zwischen „denen, die dazugehören und denen man helfen will und denen, die draußen bleiben sollen und die keine Solidarität erfahren sollen“. Die biblische Botschaft spreche da „deutlich eine andere Sprache“. Wo Gemeinden ihre Türen für Geflüchtete öffnen, „sind wir ein sichtbarer und spürbarer Brief der Liebe Gottes, die allen Menschen gilt, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder Religion“. Das engagierte Eintreten gegen Rassismus und Fremdenhass gefalle nicht allen und werde zunehmend gefährlicher. „Aber es ist ein Zeugnis, das wir der Welt schulden“, bekräftigte die Bischöfin. Vor dem Jahrestag des Überfalls der Hamas auf Israel rief Hofmann in ihrer Predigt dazu auf, „entschieden gegen den Hass auf Jüdinnen und Juden einzutreten und gleichzeitig für einen gerechten Frieden im gesamten Nahen Osten zu beten und zu arbeiten“.

ISSN 2222-2464

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