21.04.2015

Wien: Tausende bei Kundgebung für ertrunkene Flüchtlinge

Bundespräsident Fischer: "Flüchtlingspolitik in Österreich und der EU hinterfragen"

Tausende Menschen nahmen an der Gedenk-Kundgebung am Wiener Minoritenplatz teil, darunter auch Vertreter der Religionsgesellschaften und der Zivilgesellschaft sowie Politikerinnen und Politiker. Im Bild: Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Fuat Sanac, Diakonie-Direktor Michael Chalupka, Caritas-Präsident Michael Landau und Bundespräsident Heinz Fischer. (Foto: epdÖ/T.Schönwälder)Tausende Menschen nahmen an der Gedenk-Kundgebung am Wiener Minoritenplatz teil, darunter auch Vertreter der Religionsgesellschaften und der Zivilgesellschaft sowie Politikerinnen und Politiker. Im Bild: Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Fuat Sanac, Diakonie-Direktor Michael Chalupka, Caritas-Präsident Michael Landau und Bundespräsident Heinz Fischer. (Foto: epdÖ/T.Schönwälder)

Bundespräsident Fischer: „Flüchtlingspolitik in Österreich und der EU hinterfragen“

Wien (epdÖ) – Ein Umdenken in der europäischen Migrationspolitik und sofortige Maßnahmen zur Verhinderung weiterer Flüchtlingstragödien im Mittelmeer haben mehrere tausend Menschen am Montagabend, 20. April, bei einer Kundgebung am Wiener Minoritenplatz gefordert. Man blicke auf eine „monströse Katastrophe“, die „durch Mark und Bein“ gehe, sagte Bundespräsident Heinz Fischer bei dem stillen Gedenken für die rund 800 Menschen, die in der Nacht auf Sonntag im Mittelmeer ertrunken sind. Es sei in Österreich und in der Europäischen Union an der Zeit, die Flüchtlingspolitik zu hinterfragen. „Mit den aktuellen Regelungen darf die Flüchtlingspolitik keinesfalls fortgesetzt werden“, so der Bundespräsident.

Zu der Kundgebung aufgerufen hatten Caritas, Diakonie und andere Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen. Vor der Minoritenkirche wurden Grabkerzen aufgestellt. Es gab Plakate, unter anderem mit der Aufschrift „Stoppen wir das Massensterben im Mittelmeer“. Auch Bundeskanzler Werner Faymann, Nationalratspräsidentin Doris Bures und mehrere Minister waren unter den Teilnehmern.

Diakonie-Direktor Michael Chalupka betonte, das Asylrecht sei ein „heiliges Recht“, das für Flüchtlinge auf legalem Weg jedoch unzugänglich sei. „Wir fantasieren davon, dass jeder ein Recht auf Asyl hat. Tatsache ist aber, dass die Menschen auf legale Weise gar nicht nach Europa kommen. Das ist eine Schande und unerträglich“, sagte Chalupka. Eine gemeinsame europäische Seenotrettung stehe an erster Stelle der Forderungen. In der Pflicht sieht Chalupka in diesem Zusammenhang insbesondere die österreichische Bundesregierung. Es brauche mehr Mut, endlich eine andere Politik zu machen; eine Versammlung wie dieses Gedenken könne in dem Zusammenhang als „Mutinjektion“ wirken.

Caritas-Präsident Michael Landau bezeichnete das Massensterben im Mittelmeer als „Schande Europas“. „Es liegt an Österreich und ganz Europa, dieses Massensterben zu beenden“, erklärte er. Man müsse endlich damit aufhören, wegzuschauen. Europa habe in den vergangenen Jahren vor allem in Zäune und Grenzen investiert und dabei den Tod tausender Menschen in Kauf genommen, sagte Landau. Die EU müsse aber in erster Linie in die Rettung der Menschen investieren. Chalupka und Landau forderten die Wiedereinsetzung des Seenotrettungsprogramms „Mare Nostrum“, dessen Finanzierung die EU-Staaten im Herbst 2014 beendet hatten. Das Abkommen müsse aber von der gesamten EU getragen werden, da Italien allein diese Aufgabe nicht bewerkstelligen könne. Auch der Ausbau von Resettlement-Programmen für Flüchtlinge sei dringend notwendig, unterstrich Landau.

Online-Petition gestartet

Im Rahmen der Kundgebung wurde auch die neue Internetplattform „www.gegen-unrecht.at“ vorgestellt. Auf der von mehreren Hilfsorganisationen initiierten Website kann sich jeder als Unterstützer eintragen und gegen das Massensterben im Mittelmeer unterschreiben. Auf diese Weise wolle man gemeinsam ein Zeichen der Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe setzen, hieß es von Seiten der Organisatoren.

Angesichts der Tragödien im Mittelmeer werden die EU-Staatschefs am Donnerstag zu einem Sondergipfel in Brüssel zusammenkommen, um Maßnahmen zu beraten. Die Idee der Einrichtung von „Auffanglagern“ an der nordafrikanischen Küste, wie sie in den vergangenen Tagen von verschiedenen Seiten vorgebracht wurde, wurde auf der Kundgebung seitens der Veranstalter als „geradezu zynisch“ scharf verurteilt.

Auch in Klagenfurt fand am Montagabend eine Mahnwache statt, in Graz gibt es am Mittwoch, 22. April, zwei Gedenkveranstaltungen.

ISSN 2222-2464

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