02.10.2023

Wien: Pauluskirche verhüllt antisemitische Kirchenfenster

Stoffbahnen mit den Worten Glaube, Hoffnung, Liebe

Am 8.10. werden die antisemitischen Fenster der Pauluskirche mit Stoffbahnen verhüllt. (Foto: Pecka)

Stoffbahnen mit den Worten Glaube, Hoffnung, Liebe


Wien (epdÖ) – Eine feierliche Verhüllung von Kirchenfenstern findet am Sonntag, 8. Oktober, um 17 Uhr in der evangelischen Pauluskirche im 3. Wiener Bezirk statt. Über die etwa 15 Fenster des einstigen NS-Künstlers Rudolf Böttger werden farbige Stoffbahnen mit den Worten „Glaube“, „Hoffnung“ und „Liebe“ gespannt, „damit judenfeindliche Ikonografie nicht mehr unkommentiert bleibt“, wie es in der Einladung zum Gottesdienst heißt. Die Verhüllung in der Pfarrgemeinde Wien Landstraße am Sebastianplatz stellt eine interimistische Lösung dar, in weiterer Folge sollen die antisemitischen Kirchenfenster komplett ausgetauscht werden.

„Die Fenster wurden in den 1960er Jahren in den noch jungen Kirchenbau nachträglich eingebaut“, erklärt Pfarrerin Elke Petri. Das Bedrückende dabei sei, „dass das Bildprogramm antisemitisch ist und den Zeitgeist des NS-Reiches spiegelt“. In einem Werkstattbericht, entstanden im Rahmen einer Tagung zum Thema „Evangelisches erinnern“, bezeichnet Petri diese eigentlich bunten Fenster als „dunkelbunt“. Nur vordergründig „erzählen die bunten Fenster unserer Kirche neutestamentliche Episoden“, so Petri. Erst auf den zweiten Blick werde das fragwürdige Bildprogramm erkennbar. „Zum Beispiel wurden Motive aus dem Alten Testament unserer Bibel vermutlich gänzlich ausgespart, weil jüdisch.“ Außerdem werde Jesus als arischer Jüngling dargestellt, kleine Mädchen sehen aus, als kämen sie direkt aus dem Bund Deutscher Mädel. „Und schließlich werden Juden in den Kirchenfenstern verletzend dargestellt“, etwa mit grauen, fratzenhaften Gesichtern.

Glaube, Hoffnung und Liebe

Warum Rudolf Böttger nach dem Zweiten Weltkrieg trotz Berufsverbots diesen Auftrag bekommen hat, beschäftigt die Pfarrgemeinde seit langem. „War es durch Parteifreunde? War einer von ihnen vielleicht sogar Pfarrer der Pauluskirche?“ fragen sich laut Petri die Verantwortlichen in der Pfarrgemeinde. Durch den Verein „Memory Lab – Evangelisches Erinnern“ habe man nun einen Verein an der Seite, „der uns hilft, diese Fragen wissenschaftlich zu prüfen“, sagt Pfarrerin Petri im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Bereits im Jahr 2003 hat das Presbyterium einen Kommentar zu den antisemitischen Darstellungen veröffentlicht: Man distanziere sich von der Darstellung der Juden in diesen Fenstern und von dem Geist, der aus dieser Darstellung kommt. Folglich wurde auch eine entsprechende Gedenk- und Erklärtafel angebracht. Diese kontextualisierende Tafel habe dem aktuellen Leitungsgremium der Pfarrgemeinde aber nicht mehr genügt, und so wurde „für das zukünftige Gremium der Entschluss gefasst, dass die Fenster ausgebaut werden sollen“, berichtet Petri.

Bevor es so weit ist, werden die Fenster mit bunten Stoffbahnen verdeckt. Gestaltet wurden diese von Jugendlichen der Pauluskirche, die dabei künstlerisch, pädagogisch und theologisch begleitet wurden. „Sie haben an den Werten Glaube, Hoffnung und Liebe gearbeitet und miteinander erarbeitet, welche Aktionen damit verbunden sind“, berichtet Pfarrerin Petri. Mit Siebdrucktechnik wurden diese Worte dann in die gefärbten Stoffbahnen eingebrannt. Einer der Jugendlichen meint, es sei für die jungen Menschen „total schön, dass wir jetzt in diesem Kirchenraum etwas verändern können“. Sie wurden dadurch handlungsfähig gemacht, wie Pfarrerin Petri betont, und haben überlegt, „vor welche Fenster welche dieser Werte Glaube, Hoffnung und Liebe gehängt werden sollen“. Das Ergebnis wird im Verhüllungs-Gottesdienst präsentiert.

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Wien | Pauluskirche | Petri

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