Wien: Fachtagung bot Einblicke in die Schöpfungstheologie angesichts der Klimakrise
„Teilhaben am schöpferischen Wirken Gottes“ – „Hoffnung gegen Angst setzen“
„Teilhaben am schöpferischen Wirken Gottes“ – „Hoffnung gegen Angst setzen“
Wien (epdÖ) – Welche Ressourcen bietet die Theologie, um sich der Klimakrise zu stellen? Und was heißt „Schöpfungsglaube“ angesichts der Klimakrise? Einblicke in aktuelle Fragen der Schöpfungstheologie bot eine theologische Fachtagung, zu der die Evangelische Kirche im „Jahr der Schöpfung“ vom 16. bis 17. Mai nach Wien geladen hatte.
Der aus Österreich stammende und in Schweden forschende Theologe Michael Nausner sieht den Menschen „verwurzelt in der Schöpfungsgemeinschaft“. Es brauche eine „geerdete“, eine „partizipatorische“ Anthropologie. Der Mensch sei „nie eine über allem schwebende Ausnahmeerscheinung“, sondern Teil einer „ganzheitlichen Ökologie“. Die Rede von der menschlichen Gottebenbildlichkeit sei kein Freibrief zur Beherrschung der „mehr-als-menschlichen“ Schöpfung, sondern „Berufung, teilzuhaben am schöpferischen Wirken Gottes, also am gemeinsamen liebevollen Hervorbringen von Neuem“. Gott wirke dabei nicht als „völlig transzendente Kraft, die von außerhalb der Schöpfung auf uns einwirkt, sondern als immanentes Locken, das alles Erschaffene kontinuierlich hin zu schöpferischer Erneuerung ruft“, sagte Nausner.
Nausner: Not der Welt wach wahrnehmen
Der distanzierte Blick auf die Natur als Globus habe zur „Erdvergessenheit“ des Menschen geführt und die Tatsache verdrängt, dass er nur gemeinsam mit vielen anderen Akteuren überhaupt lebensfähig ist, so Nausner weiter. Weder der alarmistische Ruf nach schnellen Lösungen oder Fatalismus seien in der Klimakrise hilfreich, konstruktiv sei vielmehr ein „geduldiges und bewusstes Bleiben in der Not der Zeit“, letztlich eine „wache Wahrnehmung gemeinsamer Teilnahme an der Not der Welt“, in diesem Sinn „müssen wir als Menschen geerdet bleiben“. Ein lebendiges Gespräch mit der Spiritualität indigener Völker könne zudem dazu beitragen, koloniale und ökologische Begrenzungen christlicher Anthropologie aufzuarbeiten.
Scheuter: Wut, die hilflos macht aber auch antreibt
Wie Nausner wandte sich auch die Schweizer Pfarrerin Sabine Scheuter gegen oft missverstandene Auslegungen des Herrschaftsauftrag aus der biblischen Schöpfungsgeschichte. Jahrhundertelang habe man sich auf die Bibel berufen, als „man sich über die Natur und die anderen Geschöpfe stellte“. Von Anfang an sei dabei auf die Verantwortung vergessen worden, die dieser Auftrag beinhalte. Scheuter warnte davor, in Predigten „nur an die Schuld der einzelnen Menschen an den schlimmen Zuständen zu appellieren“. Es sei wichtig, den Ernst der Lage aufzuzeigen, aber Angst könne auch lähmen. Ihr gelte es „Hoffnung“ entgegenzusetzen, denn das „Gottesreich gründet im Vertrauen auf Gottes Güte“. Auch wenn rundherum vieles im Argen liege, „dürfen wir glauben, dass unser Gott ein Gott der ganzen Schöpfung ist und allen Geschöpfen die Treue hält“. Zum Engagement gegen den Klimawandel könne auch motivieren, „dass wir schützen, was wir lieben“. Deutlich sprach Scheuter den Aspekt der Gerechtigkeit an: Der Ressourcenverbrauch gehe auf Kosten der nächsten Generationen, außerdem seien vom Klimawandel jene am meisten betroffen, die am wenigsten dazu beigetragen haben. „Die Wut kann einen manchmal hilflos machen, aber sie kann auch antreiben, in Bewegung halten.“
Wustmans: Vorstellungen vom „guten Leben“ formulieren
Dass die Klimakrise als Teil der Umweltethik auch Anliegen der Theologie „ist und sein sollte“, lasse sich nicht zuletzt zeitgeschichtlich begründen, zeigte Clemens Wustmans von der Humboldt-Universität Berlin auf. So habe etwa die erste berühmt gewordene Anti-Atomkraft-Veranstaltung im Jahr 1972 in einem evangelischen Gemeindehaus stattgefunden. Auch im Ökumenischen Rat der Kirchen sei schon früh der Begriff der „nachhaltigen Gesellschaft“ geprägt worden. Von Beginn an sei dabei die ökologische Frage eng mit jenen von Armutsbekämpfung und sozialer Gerechtigkeit verbunden gewesen. Heute sei die „Hoffnung auf Versöhnung“ vielleicht der „spannendste Aspekt“ an Christinnen und Christen, meinte Wustmans, denn: „Religiöse Menschen sind Menschen, die sich vorstellen können, dass diese Welt ganz anders sein könnte.“ Weil christliche Hoffnung beschreibe, wie Menschen sich „im Hier und Jetzt eine bessere Welt wünschen“ könne sie gerade „im Hier und Jetzt ihr Potenzial entfalten“ und Vorstellungen vom „guten Leben“ formulieren.
Köhler: Klimakrise ist Menschheitskrise
Die Dringlichkeit des Klimaschutzes führte Sarah Köhler vor Augen. Die Klimakrise sei eine Menschheitskrise, so die evangelische Theologin, die für die Ökumenische Arbeitsstelle Anthropozän in Heidelberg tätig ist. Denn der Temperaturanstieg sei für die Menschen letztlich lebensgefährlich, die Transformation müsse endlich in der Praxis angegangen werden. Kritisch merkte Köhler an, dass die Zahl der kirchlichen Publikationen zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung „hundertfach höher sind als die Stellen von Umweltbeauftragten und Klimamanagern“. Wissen allein erzeuge jedoch nicht die Relevanz für das Handeln, „man kann alles über die Schöpfung wissen, und sie dennoch ausbeuten“.
Simone Gingrich von der Universität für Bodenkultur in Wien deutete aus sozial-ökologischer Sicht an, wie vielfältig das gesellschaftliche Leben mit den natürlichen Gegebenheiten verwoben ist. Gleichzeitig forderte sie zu einem Umdenken auf: Die Wirtschaft solle sich nicht mehr am Wachstum des Bruttoinlandsproduktis (BIP) orientieren und dem Selbstzweck dienen, vielmehr solle das Erreichen von einem nachhaltig guten Leben Ziel sein. Eva Harasta, die als theologische Referentin des Bischofs die Tagung inhaltlich verantwortete, stellte abschließend die aktuellen Aktivitäten zum Klimaschutz in der Evangelischen Kirche vor. Das intensive gemeinsame Nachdenken, so Harasta, sei „Inspiration für die Weiterarbeit“.
ISSN 2222-2464