19.01.2005

Interreligiöse Gedenkstunde für Flutopfer

„Zeit zum Handeln und Helfen“

„Zeit zum Handeln und Helfen“

Wien (epd Ö) – Mit einer interreligiösen Gedenkstunde gedachten am Mittwochnachmittag in der Wiener Hofburg die Spitzen der Politik sowie Vertreter der Kirchen und anerkannten Religionsgemeinschaften der Tsunami-Opfer. Unter den 500 Gästen befanden sich neben Vertretern der NGOs auch Angehörige der Opfer. Der Einladung von Bundespräsident Heinz Fischer und Bundeskanzler Wolfgang Schüssel waren auch 20 SchülerInnen und LehrerInnen einer Wiener Schule gefolgt, die vom Tod einer Lehrerin betroffen sind.

Vertreter der buddhistischen, israelitischen, christlichen und islamischen Religionen gedachten mit Gebeten und Fürbitten der Toten. Oberrabbiner Chaim Eisenberg zitierte eine Szene aus der Genesis, in der das Meer und das Wasser als Leben spendende und zerstörerische Kraft zugleich dargestellt waren. Anlässlich der Katastrophe in Südostasien stellte so mancher Mensch die Frage, wie ein gütiger und allmächtiger Gott so etwas zulassen könne, allerdings wäre jetzt nicht die Zeit, über die Gerechtigkeit des Ewigen nachzudenken, vielmehr wäre die „Zeit zum Handeln“ und zum Helfen, erinnerte der Oberrabbiner.

Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anas Schakfeh, unterstrich, dass keine Gedenkstunde und kein Gebet die Katastrophe ungeschehen machen könnten. Dennoch könne die hier versammelte „solidarische Familie“ in Österreich als Zeichen verstanden werden, Weltverantwortung und Hilfsbereitschaft in den Vordergrund zu rücken.

„Worte allein können Schmerz nicht lindern“

Bundeskanzler Schüssel betonte die Anteilnahme und das Mitgefühl für die Angehörigen der Flutopfer. „Worte alleine können die Trauer und den Schmerz nicht lindern. Es hilft uns aber, wenn wir gemeinsam trauern.“ Es sei ein Zeichen der Hoffnung, dass alle zusammengeholfen haben, das zeuge von echter Menschlichkeit, so Schüssel. Er kündigte an, dass die Europäische Union ein Denkmal für die Opfer errichten wolle. Der Kanzler schloss mit den Worten: „Die ewige Hoffnung hat das letzte Wort.“

„Diese Katastrophe hat die Menschen an Leib und Seele getroffen und ganze Kontinente erschüttert“, so Bundespräsident Fischer. Angesichts der großen Opferzahl könne ein einzelner Mensch die Dimension nicht erfassen. An einem einzigen Tag sei für Tausende mit dem Sonnenuntergang auch die Welt untergegangen, so Fischer. Er bekundete ebenfalls seine tiefe Anteilnahme und übermittelte allen betroffenen Ländern das Mitgefühl der österreichischen Bevölkerung.

„Mitleben und Mitleiden“

Angeregt hatte die Gedenkstunde der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ). Dessen Vorsitzende , Oberin Christine Gleixner, sagte, die Kirchen wollen mit dieser Feier gemeinsam ihr „Mitleben und Mitleiden“ bekunden. Kardinal Christoph Schönborn rief zu einem friedlichen Nebeneinander auf. „Mögen politische, religiöse und wirtschaftliche Auseinandersetzungen die Solidarität nicht abbröckeln lassen.“ Die große Hilfsbereitschaft habe eine „Menschheitsfamilie“ spürbar gemacht. „Ich weiß nicht, ob es eine wirklich schlüssige Antwort auf die Frage gibt: Warum das Leid? Oft ist das Verstummen, das stille Mitgefühl die einzig passende Haltung angesichts großen Leides“, so der Kardinal.

Umfassende Hilfe der Weltgemeinschaft

Die Fürbitten leitete bei der Gedenkfeier der evangelisch-lutherische Bischof Herwig Sturm ein. „Paradiese wurden in wenigen Minuten zu Landstrichen der Verwüstung“, sagte Sturm. Zurückgeblieben sei „ein unvorstellbares Chaos, zigtausende Verwundete und Tote, Zerstörung der Lebensgrundlage von Millionen Menschen und vor allem das unermessliche Leid derer, die Angehörige verloren haben“. Viele Völker seien von der Katastrophe betroffen. So umfassend sei allerdings auch die Hilfe der Weltgemeinschaft. Sturm: „So vielfältig sind auch die Gebete, aus tiefster Not an die letzte Instanz.“

Gesprochen wurden die Fürbitten von Repräsentanten der im Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich vertretenen Kirchen, eingeleitet jeweils von einer vom früheren methodistischen Superintendenten Helmut Nausner verlesenen Seligpreisung aus der Bergpredigt; es sprachen der russisch-orthodoxe Bischof Hilarion, der serbisch-orthodoxe Erzpriester Drago Govedarica, der bulgarisch-orthodoxe Bischofsvikar Iwan Petkin, der altkatholische Bischof Bernhard Heitz, der syrisch-orthodoxe Chorbischof Emanuel Aydin, Reverend Sally Wells von der anglikanischen Kirche, der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura, Oberkirchenrat Thomas Hennefeld von der evangelisch-reformierten Kirche und P. Avedis Sahakyan von der armenisch-apostolischen Kirche. Der koptisch-orthodoxe Bischof Anba Gabriel rezitierte das Vaterunser, der griechisch-orthodoxe Metropolit Michael Staikos schloss mit der Bitte um Gottes Erbarmen die Reihe der christlichen Vertreter.

ISSN 2222-2464

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