19.09.2021

Gleich und gleich? Muss nicht sein

Julia Schnizlein über Heidelbeeren und Tomaten

"Manchmal passen die unterschiedlichsten Dinge hervorragend zusammen und das Ergebnis ist viel besser, als man es sich vorstellen kann." Foto: flickr/Jennifer C./cc by 2.0

Julia Schnizlein über Heidelbeeren und Tomaten

Es ist schon interessant, was Paare so in ihre Eheringe gravieren lassen. Freunde von mir haben Ringe, da steht in einem: blueberry, im anderen: tomato. Es ist eine Anspielung auf den Song „Let’s Call The Whole Thing Off“ in dem es um unterschiedliche englischsprachige Dialekte geht. Während die eine „tomeito“ sagt, sagt der andere „tomahto“ usw.

Meine Freunde gehen noch weiter. Sie meinen: Wenn einer von ihnen „Tomate“ sagt, dann würde der andere ganz sicher „Heidelbeere“ sagen.

Die Worte tomato und blueberry in ihren Eheringen sind also eine Anspielung auf ihre Unterschiedlichkeit. Und tatsächlich sind die beiden wirklich sehr unterschiedlich – in ihrem ganzen Wesen und in ihrer Art, das Leben anzupacken.

Gegensätze ziehen sich an, heißt es ja. Aber oft ist es umgekehrt. Nämlich: Gleich und gleich gesellt sich gern. Studien zeigen, dass meistens Menschen zusammenfinden, die sich ähnlich sind. Ähnlichkeit signalisiert Berechenbarkeit und Sicherheit. Gegensätzlichkeit löst hingegen oft Unsicherheit und ein Gefühl von Kontrollverlust aus.

Das muss nicht sein. Ich denke, es ist ein Zeichen von Liebe, wenn man Gegensätze nicht nur aushalten, sondern wertschätzen kann. Liebe bedeutet für mich, dass man den anderen in seiner Einzigartigkeit und auch Andersartigkeit erkennt und annimmt. Der Schriftsteller Max Frisch hat das sehr treffend formuliert, als er in seinem Roman „Stiller“ schrieb: „Wenn man einen Menschen liebt, so lässt man ihm jede Möglichkeit offen und ist bereit, zu staunen, wie anders er ist, wie verschiedenartig…“

Weder Ähnlichkeit noch Unterschiedlichkeit sind Garantien für eine gelungene Beziehung. Liebe bedeutet, jeden Tag darum zu kämpfen, dass es eine gemeinsame Zukunft gibt – trotz allem. Aber Unterschiede können bereichernd sein, wenn man sich bemüht, den anderen in seinem So-Sein zu bestaunen und zu bejahen.

Meine Freunde leben das wunderbar vor. Unlängst haben die beiden Männer ihren 10. Hochzeitstag gefeiert. Ich habe ihnen zur Feier des Tages Marmelade gekocht. Zwetschke-Tomate-Heidelbeere. Manchmal passen nämlich die unterschiedlichsten Dinge hervorragend zusammen und das Ergebnis ist viel besser, als man es sich vorstellen kann.

Folgen Sie Julia Schnizlein auch auf Instagram:
@juliandthechurch

ISSN 2222-2464

Diesen Beitrag teilen

Schlagworte

Schnizlein

Newsletter abonnieren

Der Newsletter von evang.at mit den wichtigsten Nachrichten des Evangelischen Pressedienstes (epd) ist kostenlos und erscheint in der Regel einmal pro Woche am Mittwoch.