14.06.2010

Evangelischer Theologe Kurt Lüthi gestorben

"Öffentliche Theologie im besten Sinne des Wortes" - Beisetzung am 30. Juni

„Öffentliche Theologie im besten Sinne des Wortes“ – Beisetzung am 30. Juni

Wien (epd Ö) – Der langjährige Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien, Kurt Lüthi, ist am Freitag, 11. Juni, 86-jährig in Wien verstorben. Wie das Dekanat mitteilt, findet die Beisetzung am Mittwoch, 30. Juni, um 13:00 Uhr am Evangelischen Friedhof Simmering (Zentralfriedhof, Tor 3) statt. „Die Fakultät verliert mit Kurt Lüthi einen anerkannten Wissenschaftler, engagierten Lehrer und geschätzten Menschen. Als solchen wird sie ihn stets in ehrender Erinnerung behalten“, erklärte der Dekan der Evangelisch-Theologischen Fakultät, James Alfred Loader, gegenüber epd Ö. Als „profilierter Vertreter des reformierten Protestantismus“ habe Lüthi „weit über die Grenzen der akademischen Welt hinaus“ gewirkt und sich immer wieder an öffentlichen Debatten zu gesellschaftlichen Fragen beteiligt. Loader: „Seine Theologie, die durch das Erbe Barths und den Dialogischen Personalismus geprägt war, war öffentliche Theologie im besten Sinne des Wortes.“

Seit seiner Berufung nach Wien (1964) gehörte Lüthi in Österreich zu den prägenden Persönlichkeiten im ökumenischen Dialog, im Gespräch zwischen Theologie und Kunst, im christlich-marxistischen sowie im christlich-jüdischen Dialog. Lüthi, der seit 1972 mit der Wiener Künstlerin Linda Christanell verheiratet war, engagierte sich auch im Gespräch zwischen Theologie und Psychoanalyse und unterstützte die Anliegen der Feministischen Theologie. Auf all diesen Gebieten trat er durch zahlreiche Veröffentlichungen hervor, darunter seine 2001 erschienene christliche Sexualethik.

Der Wiener Lehrstuhlinhaber für Systematische Theologie, Ulrich Körtner, unterstrich im Gespräch mit epd Ö Lüthis Verdienst um die Entwicklung einer Dialektischen Theologie. Lüthi, den Körtner als „persönliches Vorbild“ und „väterlichen Freund“ bezeichnete, sei es gelungen, eine „Befreiungstheologie im europäischen Kontext“ zu formulieren. Neben Wilhelm Dantine habe Lüthi die „Gestalt des Protestantismus nach außen vertreten“ und der Fakultät damit „ein Gesicht verliehen“. Seiner Kirche sei Lüthi immer „in kritischer Loyalität“ verbunden gewesen.

Für den reformierten Landessuperintendenten Thomas Hennefeld war Kurt Lüthi „über Jahrzehnte eine wichtige Säule unserer Kirche“. Als „überzeugter reformierter Christ“ habe er „das Profil unserer Kirche geschärft und die theologische Argumentation gestärkt“. In vielfältiger Weise habe Lüthi den reformierten Ansatz, dass sich der Glaube im Leben und in der Gesellschaft niederschlagen muss, umgesetzt. Hennefeld hob Lüthis gesellschaftspolitisches Engagement hervor, „durch das er auch unsere Kirche prägte“, etwa bei der Akzeptanz der Fristenlösung oder der Gleichstellung der Frau in der Evangelischen Kirche. Lüthi habe sich für einen positiven Zugang zur Homosexualität in Kirche und Gesellschaft oder auch für das Antirassismusprogramm des Weltkirchenrates eingesetzt. „Er war der erste Feminist in unserer Kirche“, sagte Hennefeld. Lüthi, so der Landessuperintendent, „war das Gegenteil eines abgehobenen gelehrten Professors. Er war immer bestrebt, mit seinen Fähigkeiten und seinem Weitblick als Christ seine Umwelt zum Guten zu verändern, er verband sein Christsein mit einer tiefen Humanität und entschiedenem Einsatz für Minderheiten, Randgruppen und Außenseiter der Gesellschaft. Seine markante, warnende, herzliche und prophetische Stimme wird uns stets in Erinnerung bleiben.“

Der evangelisch-lutherische Bischof Michal Bünker würdigte in einer ersten Reaktion Lüthis „auf Jesus Christus konzentrierte Theologie, die auf vielfältige Weise ein gesellschaftliches Engagement des Glaubens erfordert“. Als „starker Befürworter“ der „Leuenberger Konkordie“ sei Lüthi für dieses „Zukunftsmodell“ kirchlicher Gemeinschaft eingetreten und habe so das Verhältnis zwischen lutherischen und reformierten Kirchen in Europa intensiviert. Persönlich habe er, so Bünker, Kurt Lüthi als „wunderbaren Universitätslehrer“ erlebt, der Studierenden den „Blick für die Welt geöffnet“ habe. Gemeinsam mit Wilhelm Dantine habe er sich besonders für die öffentliche Kommunikation von theologischen Anliegen, etwa in ethischen oder auch wirtschaftlichen Fragen, engagiert und das „dialogische Prinzip gelebt“.

Kurt Lüthi wurde am 31. Oktober 1923 als Sohn eines Volksschullehrers und einer Handarbeitsschullehrerin im Kanton Bern geboren und wuchs in dem Dorf Rohrbach auf. Er studierte Evangelische Theologie in Bern und Basel. Zu seinen Lehrern gehörten Karl Barth, Karl Ludwig Schmidt und Oskar Cullmann. Literarisch wurde er auch durch Martin Buber und Dietrich Bonhoeffer beeinflusst. Nach Abschluss seiner Studien im Jahr 1949 wurde er Pfarrer der evangelisch-reformierten Kirche des Kantons Bern, zunächst in Beatenberg und später in Biel. Bei Cullmann promovierte Lüthi 1955 in Basel mit einer Dissertation über Judas Iskarioth in der Geschichte der Auslegung. Einige Jahre später habilitierte er sich mit einer Studie über Gott und das Böse an der Universität Bern. 1964 wurde er auf den Lehrstuhl für Systematische Theologie H.B. an die Evangelisch-Theologische Fakultät Wien berufen, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1990 lehrte. In den Jahren 1966/67, 1971/72 und von 1979 bis 1981 war Lüthi Dekan der Fakultät.

ISSN 2222-2464

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