01.12.2022

Diakonie: „Kommunikation ist ein Menschenrecht“

Forderung nach assistierenden Technologien für Menschen mit Sprachbehinderungen

Natascha Thoman verwendet im Alltag einen Sprachcomputer. Im Bild gemeinsam mit Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser und VERBUND-Vorstandsvorsitzenden Michael Strugl. (Foto: Diakonie&Verbund/Redtenbacher)

Forderung nach assistierenden Technologien für Menschen mit Sprachbehinderungen

Wien (epdÖ) – Zum Welttag der Menschen mit Behinderung am Donnerstag, 1. Dezember, hat die Diakonie ihre Forderung nach assistierenden Technologien für Menschen mit Sprachbehinderung erneuert.

„Einmal mehr wollen wir darauf aufmerksam machen, welchen Unterschied das richtige Hilfsmittel im Leben einer Person mit Behinderungen machen kann“, erklärte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser bei einem Pressegespräch gemeinsam mit Michael Strugl, Vorstandsvorsitzender der VERBUND AG, am Donnerstag in Wien. Der „VERBUND-Empowerment Fund“ der Diakonie unterstützt seit 2009 die individuelle Beratung von rund 6.000 Menschen mit Behinderungen zu Möglichkeiten Unterstützter Kommunikation und Assistierender Technologien.

Behörden-Dschungel muss abgebaut werden

Maria Katharina Moser wies darauf hin, dass in Österreich etwa 63.000 Personen leben, die in ihrer Lautsprache eingeschränkt sind. Um zu kommunizieren, bräuchten sie Hilfsmittel, die passgenau auf sie zugeschnitten sind. Der Weg dazu sei jedoch „kompliziert, unübersichtlich und langwierig“, kritisiert die Diakonie-Direktorin. „Es gibt keinen Rechtsanspruch auf die Finanzierung der assistierenden Kommunikationsmittel, bei der Antragsstellung sind viele Ämter auf Landes- und Bundesebene beteiligt.“ Für die Betroffenen dränge allerdings oft die Zeit, zum Beispiel bei Krankheiten mit fortschreitenden Symptomen. Darum wäre eine schnelle Abwicklung in der Versorgung wichtig für die Betroffenen und ihre Angehörigen. „Jeder Tag, an dem Kommunikation nicht gelingt, ist einer zu viel“, hält auch Michael Strugl fest. Langzeitziel des VERBUND-Empowerment Fund der Diakonie sei die Etablierung eines Rechtsanspruchs auf die Finanzierung assistierender Technologien für Menschen mit Behinderungen.

Technik macht selbstbestimmtes Leben möglich

Zwei Nutzer*innen von assistierenden Technologien schilderten im Rahmen des Pressegesprächs, wie wichtig diese für ihre Leben sind. Der zwölfjährige Schüler Liam Weingartner nutzt assistierende Technologien seit er zweieinhalb Jahre alt ist. Er verwendet dabei Augensteuerung für den PC sowie ein Sprachausgabeprogramm. Damit hat der mittlerweile 12-Jährige nicht nur Sprechen sowie Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen erlernt. Mit der Augensteuerung kann er auch ferngesteuerte Autos lenken oder Computerspiele spielen. „Am Computer spiele ich am liebsten ‚Need for Speed‘, weil ich schnelle Autos mag und driften kann“, erzählt Liam. Später will er einmal bei LIFEtool – einer Einrichtung der Diakonie für barrierefreie Computerlösungen – Software entwickeln, „aber auch eine erfolgreiche Karriere als YouTube Influencer wäre toll“.

Natascha Thoman arbeitet im Bereich interne und externe Kommunikation in einem Unternehmen und kommuniziert ebenfalls über assistierende Technologien. Sie erzählt: „Da aufgrund meiner körperlichen Behinderung (CP, Athetose) auch mein Sprachzentrum betroffen ist, verwende ich im Alltag einen Sprachcomputer. Meinen Alltag bestreite ich hauptsächlich mit persönlicher Assistenz. Ich bin berufstätig und versuche nebenbei meine persönlichen Erfahrungen zum Thema Unterstützte Kommunikation zu teilen. Ansonsten reise ich sehr gerne, liebe es neue – wenn auch oft etwas verrückte – Sachen auszuprobieren, spiele unglaublich gerne Schach und bin ständig in Bewegung.“

„Gerade Beispiele wie Liam zeigen uns, welche Möglichkeiten assistierende Technologien bieten und warum eine gute Versorgung mit Hilfsmitteln unerlässlich ist“, unterstreicht Moser. „Denn Technik macht gerade für Menschen mit Einschränkungen der Lautsprache ein selbstbestimmtes Leben möglich.“

Finanzierung von Hilfsmitteln ist Aufgabe der öffentlichen Hand

Die Versorgungslücke, die der Sozialstaat hier offen lasse, müsse derzeit mithilfe von Spenden gestopft werden. So berät der VERBUND-Empowerment Fund der Diakonie seit 13 Jahren rund 6.000 Menschen mit Behinderungen um Unterstützte Kommunikation und Assistierende Technologien zu ermöglichen. Praktische Beispiele dafür sind einfache elektronische Hilfsmittel bis hin zu komplexen elektronischen Kommunikationsgeräten (wie Augensteuerung), Hilfsmittel für den Zugang zum Computer (Mundmaus, Halterungen) und Spezialsoftware (z.B. zur Sprachausgabe).

Zwar sei im Nationalen Aktionsplan Behinderung 2022-2030 eine Vereinfachung der Versorgung mit Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderungen geplant. Der vorgesehene Zeitraum bis 2030 sei allerdings für jede einzelne betroffene Person und ihre Angehörigen viel zu lang. „Zu hoffen ist, dass im Zuge der anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen rascher Bewegung in die Sache kommt. Denn wir fordern seit Jahren die österreichweit einheitliche und transparente Finanzierung von Hilfsmitteln zur Kommunikation. Kommunikation ist ein Menschenrecht, und es ist höchste Zeit, dass sich hier etwas tut“, betont Moser. Denn die Finanzierung von Hilfsmitteln sei Aufgabe der öffentlichen Hand.

ISSN 2222-2464

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