19.03.2021

Der Sündenbock

Michael Chalupka über Schuld und Opfer

"Bei jedem Skandal wird einer in die Wüste geschickt." Foto: hippopx

Michael Chalupka über Schuld und Opfer

Die Geschichte scheint sich endlos zu wiederholen. Dort, wo viele versagt haben, viele weggeschaut und falsche Entscheidungen getroffen haben, dort braucht es einen, auf den die Schuld abgeladen werden kann. Im Buch Leviticus in der Bibel wird erzählt, dass ein Sündenbock in die Wüste geschickt wird, beladen mit den Sünden des Volkes. Die Spannungen der Gemeinschaft sollen mit ihm in der Wüste verschwinden, sich in Luft auflösen. Wir haben das gerade wieder erlebt. Bei jedem Skandal wird einer, diesmal trifft es einen Beamten, in die Wüste geschickt. Wir kennen das aber auch aus unseren Familien. Kommt es zum Streit, wird oft eine oder einer zum Schuldigen gestempelt. Die Existenz von Sündenböcken gehört zu unserer Realität, das ist nicht zu leugnen.

Wir durchleben gerade die Passionszeit, die Zeit vor Ostern, die Leidenszeit Jesu, die uns daran erinnert, wie Jesus zum Sündenbock gestempelt wurde. Gott selbst, so glauben es Christen, Jesus tritt in die Rolle des Sündenbocks, damit wir erkennen, wie Sündenböcke gemacht werden. Doch seit damals wissen wir, er hat diese Rolle durchbrochen. Der Unschuldige nahm die Schuld auf sich. Das Opfer bleibt nicht Opfer. Der Gekreuzigte bleibt nicht im Tod. Das Opfer Christi ist das Ende aller Opfer. Wir können zu unserer Schuld stehen, sie eingestehen und Vergebung erbitten. Wir brauchen keine Sündenböcke mehr. Niemand soll mehr Sündenbock sein.

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Chalupka | Politik

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