Der große Konsens
Michael Chalupka über Demokratie in der Evangelischen Kirche
Michael Chalupka über Demokratie in der Evangelischen Kirche
Kirche und Demokratie, das scheint nicht zusammenzupassen. Über die Wahrheit kann man nicht abstimmen. Deshalb werden die Hüter der Lehre, die Bischöfe, vom Papst ernannt und nicht gewählt.
In der Evangelischen Kirche ist das anders. Da werden Bischöfinnen und Bischöfe, aber auch weltliche Repräsentanten der Kirche von Synoden gewählt. Allerdings reicht keine einfache Mehrheit, bei den Leitungsämtern braucht es einen großen Konsens. Gewählt ist erst der oder die, die zweidrittel aller Stimmen auf sich vereinen kann. Denn auch in der Evangelischen Kirche gilt, dass man über die Wahrheit nicht abstimmen kann. Man kann sich ihr aber annähern – eben durch einen breiten qualifizierten Konsens.
Dabei gibt es das Risiko, dass man auch nach langem Ringen nicht zu einem Ergebnis kommt. Das ist dieser Tage auf der Synode der lutherischen Kirche geschehen. Die Synode konnte sich auf keinen der drei wunderbaren Menschen einigen, die sich für das Präsidentenamt der Synode, das höchste Amt der Evangelischen Kirche neben dem Bischof, zur Verfügung gestellt haben. Das ist momentan schmerzlich, doch die Evangelischen halten an ihrer Art der Demokratie fest. Es braucht eine Einigung, mit der fast alle zufrieden sein können, sonst trägt sie nicht in stürmischen Zeiten. Das ist kein Modell für die Politik, aber dann und wann ein breiter Konsens über Parteigrenzen hinweg würde selbst der Politik nicht schaden.
ISSN 2222-2464