10.05.2009

Bünker: Widerstand bedeutet „nicht wegschauen“

Mauthausen-Gedenken um Zeichen des religiösen Widerstands

Mauthausen-Gedenken um Zeichen des religiösen Widerstands

Mauthausen (epd Ö) – Im Zeichen des religiösen Widerstands stand das diesjährige Gedenken an die Befreiung des KZ Mauthausen vor 64 Jahren. Widerstand in einem demokratischen Rechtsstaat wie Österreich bedeute „die Pflicht jedes Bürgers, jeder Bürgerin, die demokratische Verantwortung wahrzunehmen, wo Unrecht geschieht, wo Menschenrechte nicht geachtet werden, wo gegeneinander gehetzt wird statt gelernt, miteinander zu leben. Nichts einfach so hinnehmen, nichts verschweigen, nicht wegschauen“. Das erklärte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker bei der Gedenkfeier am Sonntag, 10. Mai, in Mauthausen. Formen dieses Widerstands seien „der Protest, die Demonstration, Akte zivilen Ungehorsams, auch wenn es persönliche Nachteile mit sich bringen mag“, so der Bischof.

Die evangelische Kirche schulde der Welt die „Botschaft der Versöhnung“, die aus Wahrheit wachse und dort Realität werde, „wo Frieden und Gerechtigkeit sich küssen“, sagte der Bischof in Anlehnung an ein Psalmwort. Im Nationalsozialismus habe die evangelische Kirche „Schuld auf sich geladen“, bekannte Bünker und zitierte aus der Synodenerklärung von 1998. Dort heißt es: „Mit Scham stellen wir fest, dass unsere Kirche sich für das Schicksal der Juden und ungezählter anderer Verfolgter unempfindlich zeigte. Wir bekennen, dass wir als Kirche in die Irre gegangen sind.“ Die Kirche habe damals gegen sichtbares Unrecht nicht protestiert, sondern geschwiegen und weggeschaut. „Aus der Einsicht, aus dem Schuldbekenntnis und der Umkehr“ wachse die Möglichkeit des Neuanfangs.

Bünker erinnerte in seiner Rede an die „Ausnahmen“, die es auch unter Evangelischen in Österreich gegeben habe, wie etwa den reformierten Pfarrer Zsigmond Varga, der im KZ Mauthausen ermordet wurde, Mary Holzhausen oder Robert Bernardis, Österreichs „Stauffenberg“.

Aichern: Zivilcourage zeigen

Der Linzer Altbischof Maximilian Aichern betonte bei der Gedenkveranstaltung, die Einsicht in die Fehler und Versäumnisse der Vergangenheit müsse heute dazu führen, „Sensibilität zu entwickeln, für Bildung und Information zu sorgen und Zivilcourage zu zeigen“. Es sei gemeinsame Aufgabe gerade im Hinblick auf die heutige Jugend, eine Haltung zu fördern, die Unmenschlichkeiten und Diskriminierungen auf Grund von Herkunft oder Weltanschauung verhindert. Weitere Redner waren Metropolit Michael Staikos als Vertreter der orthodoxen Kirchen, der Wiener Rabbiner Schlomo Eliezer Hofmeister und Karl Hubmann von den „Zeugen Jehovas“.

Die Repräsentanten der Kirchen und Religionsgemeinschaften und der Vorsitzende des Mauthausen Komitee Österreich Willi Mernyi appellierten gemeinsam an die Exekutive, alle Mittel und Maßnahmen zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus auszuschöpfen, sowie an die Politiker und Meinungsmacher, ein Klima zu schaffen, das von Respekt für alle Menschen unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe, sexueller Ausrichtung, Alter, Religion und Weltanschauung getragen wird. Weiters appellierten sie an die Sozialpartner, verstärkt für Gleichberechtigung und Antidiskriminierung einzutreten, um eine Arbeitswelt des Miteinander zu gestalten, und an die Kirchen und Religionsgemeinschaften, für ein Klima des Verständnisses und der Toleranz zu sorgen. Zuletzt wandten sie sich an alle „Menschen mit Zivilcourage, ewig gestrigen Stammtischparolen und demagogischen Hetzern mutig entgegenzutreten“.

Dieser Appell wurde im Anschluss daran schriftlich an Bundespräsident Heinz Fischer, Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, Innenministerin Maria Fekter, Sozialminister Rudolf Hundstorfer, ÖGB-Präsident Erich Foglar und an den Vorsitzenden des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, den evangelisch-lutherischen Altbischof Herwig Sturm, übergeben.

Nach Angaben der Behörden sind zu der Gedenkfeier in Mauthausen rund 7000 Personen gekommen. Teilgenommen haben laut Anmeldung offizielle Delegationen aus 42 Ländern. Überschattet waren die Gedenkfeiern in Mauthausen von Neonazi-Umtrieben in Ebensee. Am Vortag war dort eine Gruppe schwarzgekleideter und mit schwarzen Masken vermummter Personen aufgetaucht und hatte die Gedenkfeier mit Nazi-Parolen gestört. Der Vorsitzende des Mauthausen Komitee Willi Mernyi spricht von einem unglaublichen Tabubruch: „Vor wenigen Wochen die KZ-Gedenkstätte Mauthausen geschändet, jetzt ehemalige Häftlinge mit Nazi-Parolen provoziert – was kommt als nächstes?“

ISSN 2222-2464

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