11.05.2015

Bischof Bünker: „Niemals Schlussstrich ziehen“

Ökumenischer Gottesdienst zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen

Der Gedenkzug auf dem Appellplatz wurde von ehemaligen Häftlingen des Konzentrationslagers angeführt (Foto: S. Philipp/Mauthausen Komitee Österreich)

Ökumenischer Gottesdienst zum 70. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Mauthausen

Wien (epdÖ) – „Das Gedenken gebietet, die Opfer niemals zu vergessen und niemals einen Schlussstrich zu ziehen“, sagte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker beim ökumenischen Gottesdienst im Rahmen der Gedenkfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen am 10. Mai. Heuer jährt sich die Befreiung des Konzentrationslagers und seiner Außenlager zum 70. Mal. Am 5. Mai 1945 wurde das Lager durch die US-Armee befreit.

„Bei meinem ersten Besuch konnte ich mir kaum den Lärm vorstellen, der im Steinbruch ‚Wiener Graben‘ zwischen 1938 und 1945 geherrscht haben muss. Arbeitslärm und Geschrei, Schüsse und Hundegebell. Und ganz unvorstellbar die Qualen der erschöpften Häftlinge“, so Bischof Bünker in seiner Predigt beim Gedenkgottesdienst, den er gemeinsam mit Caritas-Präsident Michael Landau und Metropolit Arsenios Kardamakis gestaltete. Die Zwangsarbeit im Steinbruch von Mauthausen erinnere an die Zwangsarbeit der versklavten Israeliten in Ägypten. Deren Auszug aus Ägypten bilde den Kern der biblischen Befreiungserfahrungen, der heute noch in Judentum wie Christentum präsent sein.

„Dieses vergegenwärtigende Erinnern, das biblische Gedenken, ist immer eine Verpflichtung für heute“, betont Bünker. „Heute heißt das, gegen jede Form von Zwangsarbeit einzutreten, etwa gegen die Zustände in den Textilfabriken Asiens oder die Kinderarbeit in den Ländern des Südens oder den Frauenhandel und die Prostitution bei uns. Heute heißt das auch, allen Kräften zu widerstehen, die solche steinerne Verhältnisse, Ausgrenzung, Rassismus, Antisemitismus in Kauf nehmen oder bewusst herstellen.“ Die nachkommenden Generationen hätten die Aufgabe und Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Opfer nie vergessen werden. Ein Schlussstrich unter diese Geschichte dürfe niemals gezogen werden. Bünker: „Die Botschaft der Freiheit, der Menschenwürde und der Menschenrechte kann und darf nicht zum Schweigen gebracht werden. Sie setzt sich durch. Unwiderstehlich. Dafür stehen wir, das ist unser Auftrag.“

„Wenn wir heute gemeinsam der Opfer gedenken, werden wir hinzufügen müssen: Auch die Kirchen waren nicht hellhörig genug für die Stimmen der Verzweifelten“, sagte Caritas-Präsident Landau beim ökumenischen Gottesdienst in der KZ-Gedächtnisstätte Mauthausen. Mauthausen sei möglich gewesen, „weil zu wenige den Mut zum Widerstand hatten, weil auch Christen zugeschaut, zugestimmt, mitgetan haben“. Die Kirchen müssten sich an diesem Ort immer wieder neu der Gewissenserforschung stellen, forderte Landau.

Im Anschluss an den Gottesdienst folgten Kundgebungen bei den nationalen Denkmälern sowie die internationale Jugendkundgebung sowie ein Gedenkzug über den Appellplatz unter Begleitung von nationalen und internationalen Chören. Rund 22.000 Menschen aus aller Welt – darunter rund 50 Überlebende – gedachten der Befreiung des KZ durch US-Truppen vor 70 Jahren. Die Schauspielerinnen Mercedes Echerer und Konstanze Breitebner verlasen Berichte ehemaliger Gefangener. Unter den Ehrengästen waren Bundespräsident Heinz Fischer, Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ), ein großer Teil der Bundesregierung mit Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) an der Spitze, EU-Kommissar Johannes Hahn sowie etliche ausländische Staatsgäste.

Die Gedenkveranstaltung sei „nicht nur ein Anlass zum Gedenken an die Opfer des nationalsozialistischen Terrors, sondern auch eine Kundgebung gegen jede Art von Intoleranz und Diktatur, gegen Fremdenhass und Antisemitismus, eine Gedenkstunde der Solidarität mit den Opfern von gestern und heute“, sagte Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitees, bei der Gedenkfeier.

Seit 2006 widmen sich die Gedenk- und Befreiungsfeiern jedes Jahr einem speziellen Thema, das in Beziehung zur Geschichte des KZ Mauthausen beziehungsweise zur NS-Vergangenheit Österreichs steht. Die diesjährige Veranstaltung stand unter dem Thema „Steinbruch und Zwangsarbeit“.

ISSN 2222-2464

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