09.11.2016

2017 – Vom Gegeneinander zum Miteinander

Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirchen

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der gemeinsamen evangelisch-katholischen Begegnung bei der Vollversammlung der Bischofskonferenz. Foto: epd/Uschmann

Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirchen

Eisenstadt (epdÖ) – Nur miteinander können die Katholische und Evangelische Kirche glaubwürdig vor der Welt den christlichen Glauben leben und den Menschen dienen. Das ist die Quintessenz einer gemeinsamen Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirchen in Österreich, die am Dienstag anlässlich des Reformationsjubiläums 2017 veröffentlicht wurde. Die Erklärung trägt den Titel „500 Jahre Reformation – Vom Gegeneinander zum Miteinander“ und will ein neues Kapitel in den Beziehungen zwischen den Kirchen aufschlagen. In der Erklärung werden die gegenseitigen Verfehlungen der Kirchen in der Vergangenheit benannt, die großen Fortschritte in den ökumenischen Beziehungen gewürdigt und die gemeinsame Verpflichtung für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt in den Blick genommen.

Der Text der Erklärung im vollen Wortlaut:

500 Jahre Reformation – Vom Gegeneinander zum Miteinander

Erklärung der Katholischen Bischofskonferenz und der Evangelischen Kirchen in Österreich in Vorbereitung auf das Jahr 2017

I

Die 95 Thesen, die Martin Luther Ende Oktober 1517 veröffentlichte, werden weltweit zum Anlass genommen, das Jahr 2017 unter die Überschrift „500 Jahre Reformation“ zu stellen. Während es für die Evangelischen Kirchen ein Jubiläum ist, das in gebührender Weise gefeiert werden soll, stellt es für andere, insbesondere die Römisch-katholische Kirche, einen Anlass zum Gedenken an die Spaltung der abendländischen Kirche dar. Durch die Besinnung darauf, dass keine der damaligen Konfliktparteien eine Spaltung der Kirche beabsichtigt hatte, und insbesondere durch die Einsicht, dass es in der Reformation trotz aller politischen, gesellschaftlichen und biographischen Faktoren, die eine Rolle spielten, um das Evangelium als verpflichtenden Maßstab und als Kraft zur Erneuerung gegangen ist, wurde ein gemeinsamer Weg möglich: Die Freude am Evangelium und die gemeinsame Ausrichtung auf Jesus Christus können wir miteinander feiern.

II

Die Konfessionalisierung, die mit der Reformation einsetzte, brachte es mit sich, dass die eigene Identität als Kirche viel zu oft durch Abwertung der anderen und durch Abgrenzung von ihnen bewahrt wurde. Dies ging bis zu gegenseitiger Unterdrückung, Verfolgung, Vertreibung und Vernichtung, vor allem in den Religionskriegen, die sich unauslöschlich im kollektiven Gedächtnis Europas und unserer Kirchen eingegraben haben. Dankbar sind Evangelische in Österreich für die Bitten um Vergebung für das in der Vergangenheit geschehene Unrecht, wie sie etwa der Salzburger Erzbischof Andreas Rohracher im Jahr 1966 unter dem Eindruck des Zweiten Vatikanischen Konzils erstmalig ausgesprochen hat. Die Evangelischen Kirchen haben ihrerseits um Vergebung gebeten, insbesondere gegenüber den Baptisten und Mennoniten als den Nachfahren der im Reformationszeitalter blutig verfolgten Täuferbewegungen. Wir bedauern das Unrecht, das wir einander getan haben. Heute nehmen wir die Verantwortung für die schuldbeladene Geschichte wahr und hören aufeinander. Wir wissen uns als Kirchen zu Umkehr und Buße gerufen und suchen nach Wegen der Versöhnung aus dem Geist des Evangeliums.

III

2017 ist das erste Reformationsjubiläum im ökumenischen Zeitalter. Auf dem Weg zueinander sind große Fortschritte gemacht worden. Dankbar blicken wir auf die Ergebnisse der zahlreichen ökumenischen Dialoge, das mittlerweile selbstverständliche Miteinander evangelischer und katholischer Christinnen und Christen in Gemeinden und Familien und auf die vielen Möglichkeiten, gemeinsam unseren christlichen Glauben zu feiern, ihn in der Welt zu bezeugen und damit den Menschen zu dienen. Wir sehen, dass wir einander brauchen und nur miteinander in glaubwürdiger Weise den Reichtum der Gnade Gottes, aus der die Kirche lebt und für die die Kirche steht, vor der Welt leben können. In vielfältiger Weise haben wir einander in unserem Leben als Kirchen bereichern können. Gemeinsam sind uns die Überzeugung und der feste Wille, auf dem Weg zur Einheit voranzukommen und beharrlich an der Überwindung der letzten Hindernisse zu arbeiten. Dass uns bereits heute mehr verbindet und einigt, als uns noch trennt, ist ein weiterer Grund zur Dankbarkeit und ein Anlass, darum zu bitten, dass uns die Verwirklichung der Einheit geschenkt werde.

IV

Wenn die Christen heute gemeinsam ihr Zeugnis für die Wahrheit des Evangeliums ablegen, leisten sie zugleich einen Beitrag für den Zusammenhalt der Menschheit. Die Kirche ist Werkzeug des dreieinigen Gottes für das verheißene Reich des Friedens und der Gerechtigkeit und zugleich schon hier und jetzt ein sichtbares Zeichen für die Wahrheit dieser Verheißung. Diese Überzeugung lässt uns auch gemeinsam für das friedliche Zusammenleben der Menschen in Österreich, das durch zunehmende Vielfalt geprägt ist, eintreten. Die Botschaft von der freien Gnade und Barmherzigkeit Gottes und von Gottes Ja zu jedem Menschen ist angesichts der heutigen Herausforderungen von besonderer Aktualität. Sie ermutigt uns, gemeinsam für Notleidende und Schutzsuchende einzutreten und die Kräfte der Menschlichkeit zu stärken. Unser gemeinsamer Einsatz für den Nächsten gibt auch dem politischen Gemeinwesen Orientierung für zukünftiges Handeln. Auf diesem Weg haben wir uns mit den Kirchen der Ökumene durch die „Charta Oecumenica“ (2001) und das „Ökumenische Sozialwort“ (2003) aneinander gebunden und miteinander verbunden.

V

Die Reformation hat der Heiligen Schrift eine besondere Bedeutung zugeschrieben. Heute halten wir dankbar gemeinsam fest: Das in der Heiligen Schrift bezeugte Wort Gottes ist die entscheidende Orientierung für das Gottes- und Menschenverständnis. Es ist die Quelle aller Wahrheit des Glaubens und Lebens in der Kirche. Für unser Miteinander sei uns ein Wort des Apostels Paulus Ermutigung und Verpflichtung zugleich: „Seid demütig, friedfertig und geduldig, ertragt einander in Liebe und bemüht euch, die Einheit des Geistes zu wahren durch den Frieden, der euch zusammenhält. Ein Leib und ein Geist, wie euch durch eure Berufung auch eine gemeinsame Hoffnung gegeben ist; ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der über allem und durch alles und in allem ist“ (Epheser 4,2-6).

Bilder von der Begegnung der Evangelischen Kirchenleitungen mit der Römisch-katholischen Bischofskonferenz unter foto.evang.at

ISSN 2222-2464

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