19.11.2022

Wechsel an der Spitze des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin (IERM)

Ulrich Körtner übergibt an Karl Stöger

In der Medizin und Medizinethik werden die ethischen Dilemmata nicht weniger, bilanziert Ulrich Körtner. Nach 21 Jahren an der Spitze des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin folgt ihm Karl Stöger nach. (Foto: Anna Beskova)

Ulrich Körtner übergibt an Karl Stöger

Wien (epdÖ) – „Nach 21 Jahren an der Spitze des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin (IERM) freue ich mich, die Leitung in jüngere Hände zu legen“, sagt Ulrich H. J. Körtner. Dem evangelischen Theologen und Medizinethiker folgt Karl Stöger nach, Professor für Medizinrecht am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Wien und bisher einer der stellvertretenden Leiter des IERM. Körtner wird dem Institut nun als stellvertretender Leiter erhalten bleiben. Den Rahmen für die Stabübergabe bot ein Symposium, das am Donnerstag, 17. November, in Wien unter dem Titel „Gerechtigkeit und Solidarität“ Perspektiven für Bioethik und Biopolitik beleuchtete.

Die Covid-19-Pandemie, die Diskussion um Impfen und Impfpflichten wie auch die Rahmenbedingungen für das neue Gesetz zu Assistiertem Suizid hätten auch das IERM an der Schnittstelle zwischen Politik und Ethik intensiv beschäftigt, erinnerte der scheidende Institutsvorstand. Ob Genschere, Personalisierte Medizin, Digitalisierung der Medizin, Künstliche Intelligenz oder Big Data: „Medizin und Medizinethik stehen vor neuen Herausforderungen.“ Der medizinische Fortschritt schaffe nicht nur neue und bessere Lösungen in Diagnostik, Therapie und Prävention, er werfe auch neue ethische Fragen auf. Intensivmedizin, Reproduktionsmedizin und medizinische Genetik hätten, so Körtner, den Spielraum ärztlichen Handelns enorm erweitert und zugleich neue Dilemmata produziert, mit denen die Betroffenen moralisch und psychisch fertig werden müssten.

Mit Dilemmata fertig werden

Medizinethik habe die Aufgabe, derartige Paradoxe und Dilemmata zu benennen und Verfahren der ethischen Entscheidungsfindung zu entwickeln, „die uns helfen, mit solchen Dilemmata halbwegs zurechtzukommen“. Denn eine Ethik könne Dilemmata nicht verhindern, „aber sie hilft uns im besten Fall, mit ihnen zu leben“, sagte der vielfach ausgezeichnete Wissenschafter. Dazu wolle das IERM auch in Zukunft seinen Beitrag leisten.

Körtners Nachfolger, Karl Stöger, freute sich, dass das IERM, das nicht nur in Forschung und Lehre, sondern auch in der Politkberatung tätig ist, „als Marke wahrgenommen“ werde. Das gelte es zu erhalten. Themen wie Autonomie am Beginn und Ende des Lebens, Künstliche Intelligenz oder In-vitro-Diagnostik würden weiterhin das Institut beschäftigen, „das IERM war und bleibt am Puls der wissenschaftlichen Zeit“, ist Stöger überzeugt.

Geprägt war das Symposium vor allem vom Dank an den scheidenden Institutsleiter, der 2001 die Leitung von Günter Virt, der, so Körtner, „eigentlichen Gründerpersönlichkeit“, übernommen hatte. 1992 war Körtner auf den Lehrstuhl für Systematische Theologie an der Evangelisch-theologischen Fakultät in Wien berufen worden, seit 1993 gehörte er dem Beirat des neu gegründeten „Instituts für Ethik in der Medizin“ an, in dem damals die acht Fakultäten der Universität Wien vertreten waren.

Interdisziplinäre Forschungsplattform

Seit 2004 arbeitet das „Institut für Ethik und Recht in der Medizin“ als interdisziplinäre Forschungsplattform, an der sich die Katholisch-Theologische Fakultät, die Evangelisch-Theologische Fakultät, die Rechtswissenschaftliche Fakultät und die Medizinische Universität Wien beteiligen. Vertreterinnen und Vertreter dieser Einrichtungen hoben bei dem Symposium die Besonderheit des Instituts hervor, welches das einzige seiner Art in Österreich ist. Für die Dekanin der Katholisch-Theologischen Fakultät, Andrea Lehner-Hartmann, ist unbestritten, „dass sich dieses Institut zu einer lebendigen Plattform für medizinethische Fragen entwickelt und viel Aufklärungsarbeit geleistet hat“. Neue medizinische Möglichkeiten provozieren neue Fragen und erzwingen Entscheidungen, erklärte die Dekanin der Evangelisch-Theologischen Fakultät, Uta Heil. Dem IERM komme hier die wichtige Aufgabe zu, Perspektiven aus Wissenschaft, Gesellschaft, Politik, Ethik und Religion in neue Diskussionsprozesse zu überführen. Gemeinsam mit dem Vizedekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Friedrich Rüffler, dankte auch die Vizerektorin der Medizinischen Universität, Michaela Fritz für die Leistungen des Instituts, vor allem aber auch für die vertrauensvolle Zusammenarbeit und die „offene Kooperation, von der viele profitieren“. Das IERM lasse sich „mit Ambition und Umsicht“ immer wieder ein auf neue Entwicklungen, unterstrich der Vizerektor der Universität Wien, Ronald Maier.

Dabrock über Körtner: „Trendsetter mit unfassbarer Produktivität“

Den scheidenden Leiter des IERM bezeichnete der international renommierte deutsche Theologe und Ethiker Peter Dabrock – er sprach in seiner Keynote über die Herausforderungen des digitalisierten Gesundheitswesens – als „Trendsetter, der Themen früh identifiziert und eine unfassbare Produktivität entwickelt“. Körtners Ethik sieht Dabrock, der von 2016 bis 2020 Vorsitzender des Deutschen Ethikrates war, als „Verantwortungsethik aus dem Geiste des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer“. Sie sei dadurch gekennzeichnet, dass sie „immer auf den Menschen bezogen ist“.

ISSN 2222-2464

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Medizinethik | Körtner

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