18.10.2020

Was ist eigentlich normal?

Maria Katharina Moser über Chancen für alle

Jürgen Ceplak, Maler dieses Bildes, ist Autor und Künstler im Atelier de La Tour der Diakonie und lebt mit einer Behinderung. Foto: Maria Moser

Maria Katharina Moser über Chancen für alle

„Du bist ein besonderer Mensch!“ Wer hört das nicht gerne? Ein schönes Kompliment. Anderseits – wer freut sich über die Aussage: „Ganz normal bist du nicht!“? Nicht gerade ein Kompliment. Mit besonders und normal ist das so eine Sache. Besonders heißt, Gott kennt mich beim Namen, ich bin unverwechselbar in Gottes Augen. Ich bin einmalig, hebe mich ab von anderen, bin herausgehoben aus der Masse. Und doch steckt in besonders auch sonderbar oder absondern. Normal heißt, ich bin ein Kind Gottes, wie alle anderen auch. Ich falle nicht aus dem Rahmen, ich gehöre dazu. Doch irgendwie ist es ziemlich langweilig, wie alle anderen zu sein. Und: Was ist schon normal?

Zu dieser Frage schreibt Jürgen Ceplak – er ist Autor und Künstler im Atelier de La Tour der Diakonie in Kärnten und lebt mit einer Behinderung: „Normal ist der Mensch ein Wesen so wie alle. Es ist keine Schande, behindert zu sein. Menschen mit Behinderung haben die gleichen Sorgen wie alle Menschen und machen genauso Fehler wie alle. ‚Normale‘ Menschen können Computer spielen, schreiben und eine Familie haben und ein Auto. Normale Menschen können Gebärdensprache verstehen. Normale Menschen können tanzen gehen oder Sport betreiben. Normale Menschen können natürlich auch Künstler sein. Normale Menschen können kochen und Kellnerin sein. Normale Menschen können traurig sein und sich verlieben.“

Sind Sie nach Jürgen Ceplaks Definition normal? Ich nur zum Teil. Ich spiele nicht Computer und verstehe Gebärdensprache nicht. Tanzen gehe ich auch nicht, Sport betreibe ich nur in kleinen Dosen, und ich bin schon gar keine Künstlerin.

Was also ist eigentlich normal? Normal ist das, was wir gewohnt sind. Normalität meint zum einen das, was wir allgemein beobachten können, statistische Häufigkeiten und gemeinhin übliches Verhalten. Zum anderen bezieht sich Normalität auch auf das, was sein soll, auf allgemeine Vorschriften und persönliche Wünsche. Was normal ist, kann sich auch verändern (Stichwort neue Normalität angesichts von Corona). Ich finde, Normalität ist dann gut, wenn sie uns einen verlässlichen Rahmen bietet, aber nicht einengt. Das zeigt Jürgen Ceplak in seinem Text sehr schön: „Normale Menschen können“, schreibt er. Es geht um Möglichkeiten. Um Chancen. Um die Chance, das Leben leben zu können, das man ganz persönlich leben möchte. Das sollte für alle Menschen normal sein.

ISSN 2222-2464

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