Über 100.000 Menschen bei Solidaritätskonzert
Bundespräsident forderte Zuwendung für Flüchtlinge ein
Bundespräsident forderte Zuwendung für Flüchtlinge ein
Wien (APA/epdÖ) – Wien hat ein Zeichen gesetzt: Weit mehr als 100.000 Menschen sind am Samstag, 3. Oktober, zum Solidaritätskonzert „Voices for Refugees“ auf den Heldenplatz gekommen. Bundespräsident Heinz Fischer appellierte: „Menschen in Not bauchen Zuwendung.“ Zum Abschluss rockten die Toten Hosen. Die Band aus Düsseldorf brachte ein hauptsächlich politisch ausgerichtetes Programm. Tausende von in die Höhe gehaltenen leuchtenden Handys gaben eine stimmungsvolle Kulisse ab. „Dieses Bild soll um die Welt gehen“, so Hosen-Sänger Campino. „Ich sage es mit aller Deutlichkeit: Ich wende mich nicht von denen ab, die Sorgen und Ängste haben“, bekräftigte der Bundespräsident in seiner Rede. „Aber ich wende mich von denen ab, die aus der Not der Flüchtlinge ein Geschäft machen, sei es ein wirtschaftliches oder politisches.“ Das Staatsoberhaupt betonte, dass „alle Staaten der europäischen Gemeinschaft etwas beitragen“ müssten. In dieselbe Kerbe schlug später Campino: Es sei ein europäisches Problem. „Man hat lange die Augen geschlossen und Länder, die schon lange Flüchtlinge aufgenommen haben, im Regen stehen gelassen.“
Das Konzert versammelte rund 15 heimische und internationale Künstler. Neben Musik und Kabarett gab es auch ruhige Momente. Der mit allen Mitwirkenden und dem Publikum „aufgeführte“ Nummer-eins-Beitrag der Austro-Charts „Schweigeminute (Traiskirchen)“ von Raoul Haspel war ein beeindruckendes, weil beklemmend ruhiges Statement. Kritische Worte fand Konstantin Wecker, der das Publikum aufforderte: „Träumen wir weiter, seien wir subversiv, heißen wir alle Flüchtlinge willkommen.“ „Wir versuchen unsere Stimme für jene zu erheben, denen nicht oder zu wenig zugehört wird“, erklärte Conchita Wurst. Anja Plaschg alias Soap & Skin sang u.a. ein Lied in syrischem und kurdischem Dialekt. Die Jungstars Tagträumer appellierten an das Publikum: „Glaubt an das Gute.“ Zucchero meinte: „Wenn man glücklich ist, sollte man jenen Menschen helfen, die dieses Glück nicht haben.“
Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger warnte: „Wenn das Asylrecht fällt, fällt das Menschenrecht.“ Den Veranstaltungsort habe man nicht zufällig gewählt. Man werde es „nicht zulassen, dass sich die Fehler der Vergangenheit wiederholen“. „Wenn Sie heute hier weggehen“, sagte Caritas-Präsident Michael Landau, „nehmen Sie drei Dinge mit: Sie sind richtig viele, Sie alle zeigen Haltung, Sie können etwas verändern.“
Ergreifende Wortspenden kamen von Flüchtlingen. Ein Mädchen auf der Bühne berichtete etwa mit Tränen in den Augen: „Wir haben in Syrien kein Wasser und keinen Strom. Aber das ist nicht das Problem. Sondern viele Menschen sind tot.“ Diverse Sportler – von David Alaba bis Marcel Hirscher – und Prominente sowie Künstler schickten Videobotschaften. Der Eintritt zum Open Air war frei, es wurden Spenden gesammelt.
Vor dem Konzert hatten zehntausende Menschen ihre Solidarität mit den derzeit nach Europa kommenden Flüchtlingen bekundet. Am Nachmittag zogen mehr als 20.000 Demonstranten unter dem Motto „Flüchtlinge willkommen!“ vom Westbahnhof zum Parlament. Zu Beginn der Kundgebung der „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“ um 13.15 Uhr performten Flüchtlinge aus Traiskirchen Auszüge aus Elfriede Jelineks Stück „Die Schutzbefohlenen“. Vertreter der Veranstalter hießen alle Flüchtlinge willkommen – „egal ob sie durch Krieg, Verfolgung oder aus anderen Gründen zur Flucht gezwungen wurden“. Gefordert wurde eine menschenwürdige Behandlung von Flüchtlingen, Qualitätsstandards in der Betreuung und die Öffnung der Grenzen. Zu Wort kamen außerdem Flüchtlinge, die über ihre Situation berichteten.
Gegen 14.20 Uhr setzte sich der Demonstrationszug in Bewegung. Die Route führte über die Mariahilfer Straße, Babenbergerstraße und Ring bis zum Parlament, wo kurz vor 16 Uhr die Abschlusskundgebung startete. Unter den Teilnehmern der Demonstration waren neben zahlreichen Familien auch eine Blasmusikkapelle; Transparente mit Aufschriften wie „Flüchtlinge rein! FPÖ raus“, „Menschenrechte für alle“ oder auch „Solidarität“ wurden hochgehalten. Auf der Mariahilfer Straße überschritten sie 2000 Porträts von Flüchtlingen und Helfern, die bereits in der Nacht auf Samstag von der Initiative „Inside Out Austria“ auf den Straßenboden geklebt worden waren. Die Fotos – als „Walk of Fame der Menschlichkeit“ bezeichnet – zogen sich über eine Länge von rund 300 Metern.
ISSN 2222-2464