25.06.2023

Strafe und Vergebung

Maria Katharina Moser beleuchtet, wie Gott mit Straftaten und Straftätern umgeht

„Vergebung setzt voraus, dass wir Schuld erkennen und anerkennen“, schreibt Maria Katharina Moser. (Foto: Pixabay)

Maria Katharina Moser beleuchtet, wie Gott mit Straftaten und Straftätern umgeht

„Wieso bekommt der keine angemessene Strafe? Das ist doch ungerecht!“ Das höre ich immer wieder. Und auch der Ruf nach höheren Strafen wird immer wieder laut. Wenn wir den Eindruck haben, dass Täter und Täterinnen billig oder gar einfach so davon kommen, ärgert uns das.

Von einem, der sich ärgert, weil Strafe ausbleibt, erzählt eine Geschichte aus der Bibel, die heute in evangelischen Gottesdiensten gelesen wird: die Geschichte vom Propheten Jona. Gott schickt Jona in die Stadt Ninive. Er soll den Bewohnern predigen, dass ihr gottloses Tun sie ins Verderben führen wird, wenn sie nicht umkehren. Jona will den Auftrag Gottes nicht ausführen und flieht übers Meer, wird aber von einem großen Fisch verschluckt. Diese Erfahrung bringt Jona wieder auf den richtigen Weg. Er geht nach Ninive und predigt zu den Bewohnern. Da passiert etwas Unerwartetes: Die Bewohner der Stadt kehren tatsächlich um von ihren bösen Wegen. Gott freut sich und zeigt sich barmherzig. Die angekündigten Konsequenzen bleiben aus. Das wiederum macht Jona zornig. So zornig, dass er nicht mehr leben will. Meinst du, du bist zurecht zornig? fragt Gott den Jona. Der findet ja, mit Recht zürne er bis an den Tod. Gott versucht, es dem Jona zu erklären: Wie sollte er, Gott, der Schöpfer, nicht mit seinen Geschöpfen, mit den hundertzwanzigtausend Menschen in der Stadt und den vielen Tieren fühlen? Die Geschichte endet mit dieser Frage an Jona. Was Jona darauf sagt, erfahren wir nicht.

Dieses offene, fragende Ende ist eine Einladung, uns zu fragen: Wie ist das mit den Konsequenzen für falsches oder böses Handeln? Wie denken wir über Strafe? Und über Vergebung? Heißt jemandem vergeben, ihn oder sie billig davon kommen zu lassen?

Gottes Vergebung ist kein Achselzucken. Wenn Gott vergibt, dann verurteilt er die Schuld. Aber Gott unterscheidet zwischen der Tat, die er verurteilt, und dem Täter, dem er vergibt. Die Schuld wird sozusagen von seinen Schultern genommen. Ist das nicht etwas, was wir uns tief in unserem Inneren wünschen – dass Schuld nicht ewig an uns kleben bleibt? Und fällt es uns nicht leichter, Schuld zuzugeben und umzukehren, wenn wir darauf hoffen können, dass uns vergeben wird?

Die Hoffnung auf Vergebung erfüllt sich freilich nicht von selbst. Die Bewohner und Bewohnerinnen von Ninive kehren um von ihren bösen Wegen. Sie haben die Anklage, die Jona ihnen im Namen Gottes vorträgt, angenommen. Vergebung setzt voraus, dass wir Schuld erkennen und anerkennen – und das zu tun, ist weder billig, noch einfach. Wenn sich Täter und Täterinnen nicht zu ihrer Tat bekennen und sich ihrer Verantwortung nicht stellen, kommen sie tatsächlich billig davon und wir ärgern uns zurecht.

ISSN 2222-2464

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