31.07.2022

Segen für Ausgetretene?

Julia Schnizlein über kirchliche Angebote und kirchenferne Menschen

Verkommt Kirche zur Kulisse, wenn auch Nichtmitglieder ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen dürfen? Mit dieser Frage ist auch Pfarrerin Julia Schnizlein immer wieder konfrontiert. (Foto: Imo Trojan)

Julia Schnizlein über kirchliche Angebote und kirchenferne Menschen

Unter kirchlich Interessierten war es DER Aufreger des bisherigen Sommers: Die Hochzeit des deutschen Finanzministers Christian Lindner in einer malerischen evangelischen Kirche auf der Nordseeinsel Sylt – obwohl weder er noch seine Frau Mitglieder einer Kirche sind.

Kirche verkomme zur Kulisse, wenn auch Nichtmitglieder ihre Dienstleistungen in Anspruch nehmen dürfen, meinte die bekannte Theologin Margot Käßmann. Traditionelle Räume, in denen seit Jahrhunderten gebetet und Gott die Ehre gegeben werde, würden zu billigen Eventlocations degradiert. Welchen Wert haben dann noch Mitgliedschaft und vor allem Kirchenbeitrag, fragten viele.

Der Politiker Lindner ist bei weitem nicht der Einzige, der hin und wieder gerne auf die Dienste der Kirche zurückgreift, obwohl er seit Jahrzehnten ausgetreten ist. Ich selbst bekomme als Pfarrerin von Wiens ältester evangelischer Kirche im Zentrum der Stadt häufig Trauanfragen von Menschen, die keine Mitglieder unserer Kirche sind. Ebenso häufig werde ich gebeten, Kinder zu taufen, auch wenn die Eltern keiner Religionsgemeinschaft angehören oder Menschen zu beerdigen, auch wenn sie zu Lebzeiten aus der Kirche ausgetreten sind. All diese Anfragen müssen separat und individuell betrachtet werden.

Was die Segnung der Ehe anbelangt, ist unser Kirchenrecht eindeutig: Mindestens eine oder einer der Eheleute muss evangelisch sein.

Trotzdem fällt es mir persönlich schwer, mit Gottes Segen zu geizen und Menschen abzuweisen. Mit Segen sollten wir doch großzügig sein, so wie Gott großzügig ist. Und auch Jesus hat sich ja vor allem jenen Menschen zugewandt, die es in den Augen anderer nicht verdient hatten.

Aber natürlich verstehe ich den Ärger jener, die mit Herzblut und oft großem finanziellem Engagement als Solidargemeinschaft dafür sorgen, Kirche in all ihren Facetten aufrecht zu erhalten, während andere der Kirche den Rücken kehren, auf ihre Dienste dann aber ganz selbstverständlich zugreifen wollen.

Für mich ist vor allem die Frage wichtig: geht es Letzteren um den Segen, um Gott oder geht es um den Ort und die Inszenierung? Sind diese Menschen dabei, sich der Kirche wieder zuzuwenden oder ist ihr Interesse einmalig?

Segnen oder nicht segnen: Es ist keine leichte Frage. Und Ihre Meinung würde mich interessieren!

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Schnizlein | Taufe | Kirche | Hochzeit

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