05.10.2012

Schiefermair: Abschied von Energie- und Wirtschaftssystem

Interreligiöses Symposium zu Umweltfragen in Wien

"Wir möchten die Energieeffizienz aller Kirchengebäude verbessern, um bis Jahresende das Kyoto-Ziel zu erreichen, also eine Senkung des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent. Und wir bieten einen Ökostrompool für evangelische Pfarrgemeinden und Privathaushalte an", berichtete der evangelisch-lutherische Oberkirchenrat Karl Schiefermair bei einem interreligiösen Symposium in Wien. Im Bild: Georg Ziselsberger (l.) und Gerhard Schweter (r.). Foto: epd/S. Janits

Interreligiöses Symposium zu Umweltfragen in Wien

Wien (epdÖ) – Mit der „Lage der Welt“ beschäftigte sich ein interreligiöses Symposium am 4. Oktober in Wien. VertreterInnen von Religionsgemeinschaften, Umweltorganisationen sowie offizieller Stellen thematisierten in Vorträgen und Diskussionen Fragen des Klimas, der Wasserversorgung, der Bodennutzung, der Welternährung und des Tierschutzes. Höhepunkt der ganztägigen Veranstaltung war ein Podiumsgespräch zum Thema „Unsere gemeinsame Zukunft – was wird morgen anders sein?“

In Zukunft werden wir uns von unserem Wirtschaftssystem sowie von der Art und Weise, wie wir Energie nutzen, verabschieden müssen, prognostizierte der evangelisch-lutherische Oberkirchenrat Karl Schiefermair bei der Diskussion. Die Frage sei, wie Menschen damit umgehen werden. Die aktuellen Entwicklungen im Bereich Umweltschutz und Klimawandel beschrieb Schiefermair in Anlehnung an Elisabeth Kübler-Ross‘ fünf Phasen des Sterbens: So gäbe es noch immer Menschen, die den Klimawandel verleugnen. Zornig habe der ehemalige US-Präsident George W. Bush vor einigen Jahren proklamiert, dass der ‚American Way of Life‘ nicht zur Diskussion stünde, auch wenn er der Umwelt schade. Mit Emissionshandel feilschen Unternehmen und Staaten um Reduktionen der Treibhausgasemissionen. Und nach der Resignation komme hoffentlich die Annahme des Schicksals, so der Oberkirchenrat. „Dieser Trennungsprozess ist eine spirituelle Prüfung, die uns allen abverlangt wird“, so Schiefermair. Aufgabe der Kirchen werde es sein, diesen Prozess zu begleiten und zu vertiefen.

Frustrierend seien seine Erfahrungen in Ghana gewesen, räumte Schiefermair vor der Runde ein. Gemeinsam mit einer kirchlichen Delegation besuchte er Ende August die Partnerkirche vor Ort. Das Schwellenland habe zwar viele Entwicklungsprogramme und auch große Fortschritte in den vergangenen Jahren gemacht. Es habe sich aber den westlichen Lebensstil als Leitbild all seiner Bemühungen ausgesucht. Dieser habe aber viele Nachteile, besonders für die Umwelt. Das sei vielen Menschen in Ghana kaum bewusst.

Mit zwei Projekten wolle die Evangelische Kirche in Österreich einen Beitrag zu Umwelt- und Klimaschutz leisten, berichtete Schiefermair. „Wir möchten die Energieeffizienz aller Kirchengebäude verbessern, um bis Jahresende das Kyoto-Ziel zu erreichen, also eine Senkung des CO2-Ausstoßes um 30 Prozent. Und wir bieten einen Ökostrompool für evangelische Pfarrgemeinden und Privathaushalte an.“

Caritas-Präsident Franz Küberl erinnerte an die Sorgfaltspflicht, die Menschen gegenüber den Gütern der Schöpfung haben. Auf der einen Seite fehle es vielen Menschen an lebensnotwendigen Gütern. Auf der anderen Seite stehe die „Handfestigkeitsabteilung der katholischen Kirche“ in Österreich vor der Herausforderung, den Überfluss zu bewältigen. Bis zu sechs Tonnen Kleidung würden jedes Jahr gesammelt, rund 400.000 gebrauchte Handys wurden 2011 innerhalb weniger Wochen gesammelt. Der Überfluss zeige sich auch an den vielen genießbaren Lebensmitteln, die Tag für Tag weggeworfen würden. „Wien schmeißt jeden Tag so viel Brot weg, wie Graz an einem Tag verbraucht. Aber auch in Graz wird Brot produziert. Es ist ja nicht so, dass das übriggebliebene Brot aus Wien jeden Tag nach Graz geführt wird.“ Um Änderungen herbeizuführen brauche es eine Art „Glücksausgleichsfond“, zeigte sich Küberl überzeugt.

Die Kirche habe sich der modernen Welt zu öffnen, forderte Pater Georg Ziselsberger von den Steyler Missionaren auf den Philippinen. Der römisch-katholische Priester betonte die Notwendigkeit, von den Wissenschaften und Volksgruppen zu lernen, um die Welt besser zu verstehen. „Ein falsches Verständnis der Schöpfung führe zu einem falschen Verständnis von Gott“, so Ziselsberger in Anlehnung an Thomas von Aquin.

Um die kommenden Generationen für das Thema Umweltschutz zu sensibilisieren, würden angehende islamische ReligionslehrerInnen in ihrer Ausbildung entsprechend vorbereitet, erklärte Gül Mihri Aytac von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich. Für das Judentum sei Nachhaltigkeit ein wichtiger Wert, sagte Katja Bratrschovsky von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien. Zurzeit würden Jüdinnen und Juden weltweit das achttägige Fest Sukkot, das Laubhüttenfest, feiern. Bei dem Fest gehe es unter anderem darum, die Natur als Geschenk Gottes wieder bewusst zu begreifen. Als „ein Problem der Werthaltung“ beschreibt Peter Iwaniewicz vom Lebensministerium den Umgang mit Ressourcen in den westlichen Industrieländern. Peter Molnar von „Klimabündnis Österreich“ gab zu bedenken, dass die Umweltschäden, die ein Zehntel der Weltbevölkerung verursache, auf Kosten der anderen neun Zehntel gingen. Dennoch tue sich in Österreich viel Positives, so gäbe es zahlreiche Klimabündnis-Gemeinden und zahlreiche Einzelprojekte. In Richtung Religionsvertreter sagte Molnar: „Wir brauchen die Kirchen als starke Partner.“

Das Symposium wurde von der ARGE Schöpfungsverantwortung veranstaltet und von Pastor Herbert Anders aus Rom moderiert. Die Bahá’í Religionsgemeinschaft stellte dafür ihr Center zur Verfügung.

ISSN 2222-2464

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