04.12.2022

Schau dem Gaul ins Maul!

Julia Schnizlein über Geschenke mit Hintergedanken

Weihnachten ist die Zeit des Schenkens. Was bewegt uns eigentlich dazu? (Foto: pixabay)

Julia Schnizlein über Geschenke mit Hintergedanken

Schenken braucht Planung, wenn man nicht kurz vor Weihnachten in völligem Geschenke-Chaos versinken will. So in etwa lautete die Quintessenz eines Zeitungsartikels, auf den ich neulich gestoßen bin. Unter dem Titel „Weihnachtsgeschenke kaufen mit System – schnell und stressfrei“ empfahl die Autorin, eine Excel-Tabelle anzulegen mit den Namen all jener, die bedacht werden wollen – damit niemand vergessen wird. Pro Kopf soll außerdem ein Budget fixiert, eine Geschenkidee und ein Vorgangsplan festgelegt werden.

In vielen Familien dominiert die Jagd nach Geschenken die gesamte Vorweihnachtszeit. Und vielleicht ist es manchen fürs eigene Wohlbefinden tatsächlich hilfreich, rechtzeitig Planungslisten anzulegen. Was mir an einem solchen Geschenkeplan fehlt, ist die Frage: Wem schenke ich eigentlich was warum?

In der Bibel haben Geschenke oft Hintergedanken – genau wie in der Gegenwart. Manche schenken aus schlechtem Gewissen oder um andere zu besänftigen. Manche schenken, um andere in eine gewisse Abhängigkeit zu bringen. Manche schenken in der Erwartung einer mindestens ebenso großen Gegenleistung. Manche schenken in der Hoffnung, eine brüchige Beziehung stabilisieren zu können. Manche schenken, weil man es von ihnen erwartet. Manche schenken aus Dank. Und manche schenken, um anderen einfach eine Freude zu bereiten.

Letzteres ist wohl die Art des Schenkens, die dem Wortursprung am nächsten kommt. Das Wort „Schenken“ stammt nämlich aus dem Mittelalter und leitet sich von Schank / vom „Ausschenken“ her: Aus Mildtätigkeit schenkte man einem Durstleidenden ein erfrischendes Glas Wasser ein. Dieser Akt wurde symbolisch für eine Form des Gebens, die keine Gegenleistung erwartet. Ein Geschenk stellte damals also einen Akt der Nächstenliebe dar. Vielleicht braucht das Schenken also auch heute nicht unbedingt mehr Plan, aber mehr Sinn! Und manchmal darf man eben auch einem geschenkten Gaul ins Maul schauen und ihm auf den Zahn fühlen.

Geschenke dürfen Hintergedanken haben, aber es kommt darauf an, welche! Will ich etwas Gutes für andere oder nur für mich? Stillt mein Geschenk ein Bedürfnis des Gegenübers oder nur meines? Schenke ich aus Pflicht oder Defizit heraus oder aus vollem Herzen?

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Bibel | Weihnachten | Schnizlein

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