20.11.2008

Linz: Evangelisches Gedenken an Robert Bernardis

"Bibliothek der Zivilcourage" im Evangelischen Studentenheim eröffnet

„Bibliothek der Zivilcourage“ im Evangelischen Studentenheim eröffnet

Linz (epd Ö) – Mit einer „Bibliothek der Zivilcourage“ ehrt die Evangelische Kirche Robert Bernardis. Der Oberstleutnant des Generalstabs hatte eine Schlüsselstellung beim Hitlerattentat vom 20. Juli 1944 und wurde wenige Tage später in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Anlässlich des 100. Geburtstages von Robert Bernardis luden die Evangelische Kirche in Österreich, das Evangelische Studentenheim Linz und das Evangelische Bildungswerk Oberösterreich am Mittwoch, 19. November, zu einem Abend des Gedenkens und der Ehrung von „Österreichs Stauffenberg“ in das Evangelische Studentenheim Linz.

Als einen „Wertespeicher“ bezeichnete der lutherische Bischof Michael Bünker die neue „Bibliothek der Zivilcourage“. In einem klar strukturierten Acrylglasregal, das nach den Entwürfen von Prof. Herbert Friedl entstanden ist, werden biografische Informationen „mutiger Menschen“ präsentiert. Die Informationen sind nicht nur zum Lesen gedacht, BesucherInnen und BewohnerInnen des Studentenheims können die Blätter mitnehmen. Zivilcourage sei immer eine Frage der Werte, sagte Bischof Bünker bei der Eröffnung. Weil ÖsterreicherInnen „keine Helden im Alltag“ seien, brauche es Institutionen, „die heute Werte stiften“. Die „Bibliothek der Zivilcourage“ leiste dazu ihren Beitrag, indem sie die Werte, die Robert Bernardis vorgelebt habe, immer wieder in Erinnerung rufe. „Es ist keine Sache der Zivilcourage, gegen Ausländer zu hetzen oder Auschwitz zu verharmlosen“, so der Bischof. Vielmehr sei Zivilcourage immer „human und demokratisch“. Im Dietrich-Bonhoeffer-Studentenheim erinnerte der Bischof an das Wort des großen Theologen, dass „Kirche nur dann Kirche ist, wenn sie für andere da ist“.

Von der Vergangenheit zur Gegenwart

Mit der Biografie von Robert Bernardis wurde die „Bibliothek der Zivilcourage“ eröffnet, weitere sollen folgen. Bünker erinnerte an den reformierten Theologiestudenten Zsigmond Varga, der nach einer kritischen Predigt in Wien 1944 verhaftet wurde und im KZ umkam, an die Baronin Mary von Holzhausen, die beim Todesmarsch von Jüdinnen und Juden Brot verteilte, an Schwester Elfriede Eidenbenz, die im spanischen Bürgerkrieg und im Zweiten Weltkrieg zahlreiche Kinder und Frauen vor der Deportation in Vernichtungslager bewahrt hatte und an den Kärntner Superintendenten Johannes Heinzelmann, der 1938 demonstrativ seine Solidarität mit der verfolgten jüdischen Bevölkerung ausdrückte. In der „Bibliothek der Zivilcourage“ soll es jedoch nicht nur um Personen der Vergangenheit gehen. Bünker erinnerte hier an das mutige Eintreten des Kärntner Religionsprofessors Gerhard Beermann für die slowenische Minderheit, an das Engagement von Evelyn Martin und Ingrid Gaisrucker gegen Apartheid in Südafrika, das gegen heftigen innerkirchlichen Widerstand erfolgte, an Gertraud Knolls Rede 1995 nach der Ermordung der vier Roma in Oberwart sowie an Pfarrerin Christine Hubka und Gertrude Hennefeld, die sich in Traiskirchen für Flüchtlinge einsetzten.

„Wir wollen Studierenden hier nicht nur ein Zuhause geben, sondern Werte anbieten wie ein Leben mit Zivilcourage“, erklärte der Obmann des Vereins Evangelisches Studentenheim Linz, Oberkirchenrat Klaus Köglberger. Bei Zivilcourage gehe es „um den Mut des Einzelnen zum eigenen Urteil und um staatsbürgerlichen Mut“, so der wirtschaftliche Oberkirchenrat, der auf die „Nähe im Menschentyp“ von Dietrich Bonhoeffer und Robert Bernardis hinwies. Für zivilcouragierte Menschen gäbe es „viel zu tun“. Köglberger erinnerte an die aktuellen Resolutionen der Generalsynode für Strafgefangene und ihre Angehörigen, gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung von Frauen und Mädchen in der Grenzregion sowie die Erklärung gegen den Ausbau der Agrotreibstoffe. Der Leiter des Studentenheims, Hans Berger, lud dazu ein, Vorschläge für weitere Biografien an den Vereinsvorstand zu richten.

Zurückholen ins Gedächtnis

Vor der Eröffnung hatte Militärsenior Karl Trauner in einem Vortrag Robert Bernardis vorgestellt. Bernardis, der in Innsbruck evangelisch getauft wurde, habe sich immer als Linzer verstanden, obwohl er aufgrund seiner militärischen Laufbahn sehr oft den Wohnort wechseln musste. 1936, in der Situation des Ständestaats, habe sich Bernardis zu einem „Sympathisanten des Nationalsozialismus mit vorsichtiger Distanz“ entwickelt. Die Gräueltaten im Russlandfeldzug, die Bernardis miterleben musste, hätten jedoch ein Umdenken bewirkt: „Die Bilder, die er dort sah, waren mit seinem Ethos nicht vereinbar.“ In Berlin traf Bernardis dann auf Stauffenberg und sei zum Schluss gekommen, „dass nur aktiver Widerstand Sinn hat“. Möglicherweise hat Bernardis die Bombe für das Attentat selbst gebaut. „Bernardis Motivation war: Gottesfurcht statt Selbstvergottung“, erklärte der Theologe und Historiker. Wie bei Bonhoeffer, obwohl beide einander nie begegneten, sei bei Bernardis die „Idee zum Tatchristentum“ entstanden. Die Rezeption seines Wirkens habe in Österreich erst spät begonnen. 2004 wurde in Enns eine Gedenktafel angebracht. Beim diesjährigen Reformationsempfang der Evangelischen Kirchen habe Bundespräsident Fischer die Initiative der Evangelischen Kirche zur Ehrung von Robert Bernardis gewürdigt und sie in den Zusammenhang der Gedenkfeiern der Republik gestellt. Trauner: „Der Nationalsozialismus hat sich bemüht, die Personen des Juliattentats aus dem kollektiven Gedächtnis verschwinden zu lassen. Umso wichtiger ist es, Robert Bernardis von diesem Hinausdrängen zurückzuholen.“

Dass auch Straßennamen ein wichtiges „Zeugnis der Erinnerung im öffentlichen Raum“ darstellen, unterstrich der Leiter des Stadtarchivs Linz, Walter Schuster. 1994 ist in der oberösterreichischen Hauptstadt eine Straße nach Robert Bernardis benannt worden. Inzwischen erinnern in Linz 12 Straßen an Opfer des Nationalsozialismus und an Widerstandskämpfer. Die Leiterin des Evangelischen Bildungswerkes, Renate Bauinger, konnte bei der Gedenkfeier auch die Tochter, die Enkelin und den Enkel von Robert Bernardis begrüßen. Gekommen waren mehrere RepräsentantInnen des kirchlichen und öffentlichen Lebens, darunter auch der frühere römisch-katholische Diözesanbischof Maximilian Aichern, sein früherer evangelischer Amtskollege Superintendent in Ruhe Hansjörg Eichmeyer und seine Gattin, die Leiterin des Evangelischen Museums in Rutzenmoos, Ulrike Eichmeyer-Schmid, Landesgerichtspräsident Hans-Peter Kirchgatterer und der Direktor des ORF-OÖ, Helmut Obermayr.

Präsentiert wurde bei dem Gedenkabend auch das neue Buch über Robert Bernardis, das im Evangelischen Presseverband erschienen ist („Robert Bernardis – Österreichs Stauffenberg zum ehrenden Gedenken anlässlich seines 100. Geburtsjubiläums“, ISBN 978-3-85073-314-4, 54 Seiten, zahlreiche Abbildungen, 9,80 Euro, erhältlich im Evangelischen Presseverband, Tel.: 01/712 54 61, rci@rinat.ng).

ISSN 2222-2464

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