16.12.2009

Körtner: Menschenrecht auf kollektive Religionsausübung unbedingt respektieren

"Die Krux mit dem Kreuz" - Diskussion in der Evangelisch-Theologischen Fakultät über Religion im öffentlichen Raum

„Die Krux mit dem Kreuz“ – Diskussion in der Evangelisch-Theologischen Fakultät über Religion im öffentlichen Raum

Wien (epd Ö) – „Es ist die Frage, wie man Religionsfreiheit interpretiert. Die individuelle Religionsfreiheit bedeutet einerseits, dass mich niemand dazu zwingen kann, einer Religion anzugehören. Sie bedeutet aber auch andererseits, dass ich das Recht habe, eine Religion auszuüben“, sagte der Professor für Systematische Theologie, Ulrich Körtner, bei der Podiumsdiskussion „Die Krux mit dem Kreuz – wie viel Religion verträgt der öffentliche Raum?“ am Dienstag, 15. Dezember, in der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Wien. Das Menschenrecht auf das kollektive Recht der Religionsausübung sei ebenfalls „unbedingt zu respektieren“. Die Frage müsse umgedreht werden, so Niko Alm, Sprecher der „Laizismus-Initiative“: „Womit ist zu rechtfertigen, dass Kreuze hängen in Schulen, Kindergärten oder etwa Gerichten?“ Es müsse hier „unbedingt differenziert werden“, sagte Christoph Konrad von der „Katholischen Aktion Österreich“. Es werde alles in den Bereich der Kultur gezogen „und damit die Frage nach der Religionsfreiheit unterlaufen“.

Kneucker: Frage der Minarette und Frage der Kreuze unterschiedlich beurteilen

Die Frage der Minarette sei anders zu beurteilen als die der Kreuze, betonte auch der juristische Oberkirchenrat, Raoul Kneucker. „Die Minarette gehören zu Orten der konfessionellen Selbstausübung einer Religion und damit zur kollektiven Selbstausübung der Religion, und das ist selbstverständlich zu genehmigen.“ Klassenzimmer oder Gerichte dagegen seien öffentliche Räume eines neutralen Erhalters, nämlich des Staates. „Wenn die Frage der Religionsfreiheit zur Kulturfrage gezogen wird, dann haben wir ganz schnell einen Kulturkampf“, warnte Alev Korun, die Integrationsbeauftragte der Grünen. Da hinein passe dann auch der Begriff des „christlichen Abendlandes“. Aber im 21. Jahrhundert gehe es einfach um die Frage: „Sollen Kreuze im öffentlichen Raum angebracht sein, wo Religion nichts zu suchen hat, wie etwa bei Gerichten oder in Schulen?“ Zur „Nüchternheit“ mahnte Herbert Kohlmaier, Mitbegründer der römisch-katholischen „Laieninitiative“ zur Überwindung des Priestermangels. Es handle sich bei dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte nicht um eine Attacke auf das „christliche Abendland“, sondern um eine juristische Entscheidung, „die nachvollziehbar ist“. Selbstverständlich seien Symbole wichtig, „aber ist nicht wichtiger als alle Symbolik, dass wir christlich leben? Was nützt das Kreuz in der Schule, wenn die Eltern zu Hause ein ganz falsches Vorbild leben?“
Moderiert wurde die Veranstaltung vom Publizisten Peter Pawlowsky, eingeladen hatten die Fakultätsvertretungen Evangelische und Katholische Theologie an der Universität Wien.

ISSN 2222-2464

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