23.01.2020

Körtner: „Es gibt ein Recht auf die Verdrängung des eigenen Todes“

Theologe in Gastkommentar zur Widerspruchslösung bei Organspenden

„Den fehlenden Widerspruch als indirekte Zustimmung zu werten, blendet aus, dass viele Menschen über die geltende Widerspruchslösung schlecht oder gar nicht informiert sind.“ Foto: pixabay

Theologe in Gastkommentar zur Widerspruchslösung bei Organspenden

Wien/Berlin (epdÖ) – Nach der Ablehnung der sogenannten Widerspruchslösung bei Organspenden durch den deutschen Bundestag hat der Wiener evangelische Theologe Ulrich Körtner Kritik am fehlenden Wissen vieler Menschen über das Thema geäußert: Nicht jeder, der sich nicht bewusst gegen die Verwendung seiner Organe ausspreche, sei auch automatisch dafür, so Körtner in einem Gastkommentar für die österreichische Wochenzeitung „Die Furche“ (23. Jänner). Anders als in Deutschland – hier müssen Bürgerinnen und Bürger weiterhin zu Lebzeiten der Entnahme von Organen im Todesfall zustimmen – gilt in Österreich die Regelung, dass aktiv bekanntgeben muss, wer eine eventuelle Organspende verweigert. „Den fehlenden Widerspruch als indirekte Zustimmung zu werten, blendet aus, dass viele Menschen über die geltende Widerspruchslösung schlecht oder gar nicht informiert sind. Bei ihnen kann man darum auch nicht mehr wirklich von Spendern sprechen.“

Dennoch anerkennt Körtner auch die Vorteile der österreichischen Lösung. „Für Menschen, die sich nicht mit dem eigenen Tod auseinandersetzen wollen oder emotionale Schwierigkeiten haben, die grundsätzliche Kopfentscheidung für die Organspende gegen das eigene Bauchgefühl in die Tat umzusetzen, kann die Widerspruchslösung entlastend wirken.“ Ebenso für Angehörige, die dann im Zweifelsfall – wenn sie nämlich nicht über den Willen des Verstorbenen Bescheid wissen – nicht in der Verantwortung stehen, entscheiden zu müssen.

Vor dem Hintergrund der neu aufgeflammten Diskussion – der Europarat hatte den Mitgliedsstaaten die Widerspruchslösung bereits 1978 empfohlen – stellt der Theologe die Frage: „Hat der Staat das Recht, Menschen dazu zu zwingen, sich mit dem eigenen Tod auseinanderzusetzen?“ Körtner verneint. Zwar sei es „höchst wünschenswert“, die eigene Endlichkeit zu bedenken. Daraus lasse sich aber keine allgemeine Bürgerpflicht machen. „Es gibt, wenn man so will, ein Recht auf die Verdrängung des eigenen Todes.“

Die beiden großen Kirchen in Deutschland – römisch-katholische und evangelische – jedenfalls hatten die Entscheidung der Parlamentarier begrüßt, zumal sie selbst gegen die Widerspruchslösung argumentiert hatten, sie sei ein erheblicher Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Menschen – das über den Tod hinausreiche.

Den ganzen Artikel finden Sie auf www.furche.at

ISSN 2222-2464

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Schlagworte

Medizinethik | Körtner | Tod

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