07.10.2016

Körtner beklagt Moralisierung von Reformationsjubiläum

Theologische Beschäftigung mit Erbe und Impulsen der Reformation oberflächlich

Dem Ziel, das Reformationsjubiläum zum ökumenischen Großereignis zu machen, werde alles andere untergeordnet, kritisiert Ulrich Körtner. Im Bild die Wartburg. Foto: epd/Uschmann

Theologische Beschäftigung mit Erbe und Impulsen der Reformation oberflächlich

Wien (epdÖ – Der Wiener Theologe Ulrich H.J. Körtner beklagt eine Moralisierung des Reformationsjubiläums 2017. „Wie weit ist es mit dem deutschen Protestantismus gekommen, dass die EKD (Evangelische Kirche in Deutschland) auf die Idee von ökumenischen Bußgottesdiensten aus Anlass des Reformationsjubiläums 2017 verfallen konnte – oder sich von der katholischen Kirche zu diesem Schritt überreden ließ?“, heißt es in einem Beitrag des evangelischen Sozialethikers für das Internetportal „evangelisch.de“.

Dem erklärten Ziel, das 500. Reformationsjubiläum zum ökumenischen Großereignis zu machen, werde alles andere untergeordnet: „Die theologische Beschäftigung mit dem Erbe der Reformation und ihren bleibenden Impulsen bleibt an der Oberfläche haften.“ Dies markiere einen „theologischen Tiefpunkt“.

Körtner erinnerte an den 2014 von der Evangelischen Kirche in Deutschland vorgelegten Grundlagentext zur Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum mit dem Titel „Rechtfertigung und Freiheit“. Darin seien die Kernaussagen reformatorischer Theologie in die heutige Zeit übersetzt. Nach Kritik seitens der römisch-katholischen Kirche rudere die EKD nun zurück. Körtner: „Das Projekt ‚Healing of Memories‘ verfolgt offenkundig das Ziel, den ungeliebten Text ‚Rechtfertigung und Freiheit‘ vergessen zu machen.“ Man erweise nun der Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre von 1999 von Vatikan und Lutherischem Weltbund Reverenz, obwohl diese keine substanziellen ökumenischen Fortschritte nach sich gezogen habe.

„Was immer auch sonst noch an ‚Christusfesten‘ im Lauf des Jahres gefeiert werden mag, dieses Bußritual wird im kollektiven Gedächtnis bleiben“, fügte Körtner hinzu. Die katholischen Partner hätten Grund zur Freude, „haben sie doch von Beginn an keinen Grund zum gemeinsamen Feiern gesehen. Allenfalls sei ein gemeinsames ‚Gedenken‘ vorstellbar“.

Immerhin sei dem Dokument „Erinnerung heilen“ von EKD und katholischer Deutscher Bischofskonferenz zugute zu halten, dass es „die Fortexistenz unterschiedlicher Konfessionskirchen anerkennt“. Was aber besonders auffalle und störe, sei der „moralisierende Ton, den das neue Dokument anschlägt und der auch sonst in Kirche und Politik um sich greift“ sowie die begriffliche Unschärfe mit Blick auf die Themen Schuld und Sünde, beklagt Körtner.

„Niemand kann anstelle von Tätern für begangene Schuld um Vergebung bitten und niemand hat die Vollmacht, anstelle von Opfern Vergebung zu gewähren. Sünde kann zudem allein Gott vergeben“, hebt Körtner hervor. Die Aussage: „Wir bekennen unsere Schuld“ bleibe im Grund nichtssagend, gebe aber das gute Gefühl, moralisch auf der richtigen Seite zu stehen.

ISSN 2222-2464

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