28.09.2015

Hennefeld: „Bildungsgerechtigkeit ist Anliegen der Kirche“

Religionsunterricht beugt Vorurteilen und Intoleranz vor

Als "Dienst an der Gesellschaft" versteht Fachinspektor Peter Pröglhöf den Religionsunterricht. Religiöse Bildung sei ein notwendiger Teil der Allgemeinbildung. (epdÖ/T.Dasek)

Religionsunterricht beugt Vorurteilen und Intoleranz vor

Bregenz (epdÖ) – Als ein „Mittel zur Erneuerung der Gesellschaft“ bezeichnet der evangelisch-reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld die Bildung. Mit dem aktuellen „Jahr der Bildung“ wollen die Evangelischen Kirchen in Österreich unter anderem den Stellenwert von Bildung für Kirche und Gesellschaft hervorheben, sagte der Landessuperintendent vor Journalisten am Rande der Internationalen Theologischen Bodenseekonferenz am 25. September in Bregenz.

„Für die Reformation war Bildung ein entscheidender Faktor des Erfolgs. Ziel der Reformation war nicht nur die Erneuerung der Kirche, sondern die Erneuerung der ganzen Gesellschaft. Die Mitgestaltung der Gesellschaft ist aber nur durch Bildung möglich“, betonte Landessuperintendent Hennefeld. Aus diesem Grund seien Bildung und speziell auch Bildungsgerechtigkeit zentrale Anliegen der Evangelischen Kirchen. Hennefeld erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass Bildung beziehungsweise der Mangel an Bildung tendenziell vererbt werde. „Alle Kinder und Jugendlichen sollen aber die gleichen Bildungschancen haben, unabhängig von sozialer oder kultureller Herkunft.“ Darüber hinaus sollen Inklusionsmodelle, welche die Integration von Kindern mit besonderen Bedürfnissen oder Migrationshintergrund in der Schule fördern, besonders unterstützt werden.

Bildung als Mittel zur Integration

Angesichts der aktuellen Herausforderungen in den Bereichen Asylwerber und Flüchtlinge macht sich Hennefeld dafür stark, Bildungsmaßnahmen auch als ein Mittel zur Integration zu begreifen. „Im Zusammenhang mit den Flüchtlingen, die bei uns aufgenommen werden und um Asyl ansuchen, kann die Bedeutung integrativer Maßnahmen nicht hoch genug eingeschätzt werden. Der Bildungsgrad wird darüber mitentscheiden, ob sich ein Asylwerber in Zukunft als Teil der Gesellschaft fühlen wird oder nicht“, so der Landessuperintendent. Hier komme auch dem Religionsunterricht ein wichtiger Stellenwert zu. „Gerade in Zeiten, in denen einfache Parolen auf fruchtbaren Boden fallen, kann Bildung, wie sie auch der evangelische Religionsunterricht vermittelt, Vorurteilen und Intoleranz vorbeugen.“

Als „Dienst an der Gesellschaft“ versteht Fachinspektor Peter Pröglhöf den Religionsunterricht. Religiöse Bildung sei ein notwendiger Teil der Allgemeinbildung. So trage der Religionsunterricht dazu bei, die friedensstiftende Funktion von Religion zu verstärken und Kinder und Jugendliche religiös sprachfähig zu machen, denn „wer sich nicht auskennt, bekommt Angst“, meinte der Fachinspektor, der für den Evangelischen Religionsunterricht in Salzburg, Tirol und Vorarlberg zuständig ist. Religion gehöre zu den aktuellen Themen und Herausforderungen sowohl in Österreich als auch weltweit. Einerseits seien zahlreiche Konflikte religiös aufgeladen oder es werde Religion für politische Zwecke missbraucht. Andererseits seien die Bemühungen um interkulturelles und interreligiöses Lernen auf Grund der aktuellen demographischen Veränderungen „so groß wie noch nie“, unterstrich Pröglhöf. Insofern sei es richtig und gut, dass der evangelische Religionsunterricht an Österreichs Schulen fest verankert ist. Verbesserungsmöglichkeiten sieht Pröglhöf beim Religionsunterricht im berufsbildenden Schulwesen. „Dort gelingt es dem evangelischen Religionsunterricht großteils nicht mehr, die SchülerInnen zu erreichen, weil sie sich mit Hilfe des Rechtes zur Abmeldung vom Religionsunterricht eine Stunde weniger Unterrichtszeit verschaffen.“ Möglicherweise könnten hier Modelle, die verstärkt auf ökumenische Kooperation im Religionsunterricht setzen, das Fach für SchülerInnen attraktiver machen.

Von Schwierigkeiten in der Stundenplangestaltung des Religionsunterrichts berichtete auch Pfarrerin Sabine Gritzner-Stoffers, die Religionsunterricht an AHS und BHS erteilt. Diese seien sehr oft der Minderheitensituation der Evangelischen in Vorarlberg geschuldet. Nichtsdestotrotz leiste der Evangelische Religionsunterricht auch in Vorarlberg einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft. „Freiheit und Verantwortung sind zentrale Begriffe für den evangelischen Glauben. Ein Ziel des evangelischen Religionsunterrichts sehe ich in der Bildung der SchülerInnen hin zu mündigen Erwachsenen, die in Freiheit und aufgrund einer christlichen Ethik Verantwortung für sich und die Gesellschaft übernehmen. In Bezug auf die Vorarlberger Bildungslandschaft empfinde ich das Prinzip des evangelischen Religionsunterrichts ‚Freiheit und Verantwortung‘ als Bereicherung.“

Über den Religionsunterricht rund um den Bodensee sprach Schuldekan Frank Eberhardt aus Ravensburg/Deutschland. Er ist Vorsitzender der Internationalen Theologischen Bodenseekonferenz. „Während Religionsunterricht auf deutscher und österreichischer Seite in der Regel konfessionell erteilt wird, findet er in Zürich und andernorts in der Schweiz bekenntnisunabhängig statt, in Zürich als Pflichtfach ‚Religion und Kultur'“, erklärte Eberhardt. „Angesichts rasanter gesellschaftlicher Veränderungen sehen sich viele Bildungsverantwortliche im kirchlichen Raum der Herausforderung gegenüber, den Religionsunterricht zukunftsfähig zu gestalten – in dem Sinne, dass religiöse Bildung als Teil der Allgemeinbildung weiterhin einen bedeutenden Beitrag für das friedliche Zusammenleben in der Gesellschaft leistet. Wo religiöse Bildung zunimmt, da nimmt religiöser Fundamentalismus ab. Daher ist die Beschäftigung mit unterschiedlichen Unterrichtsmodellen ein wichtiges Thema.“

Im Rahmen der ökumenisch offenen Internationalen Theologischen Bodenseekonferenz treffen sich jährlich PfarrerInnen, ReligionslehrerInnen und theologisch Interessierte aus dem Bodenseeraum. Heuer stand die Diskussion verschiedener Modelle des Religionsunterrichts im Mittelpunkt. Mit der Bodenseekonferenz, die erstmals 1949 stattfand, hätten die Kirchen auch zur „Verständigung über Grenzen hinweg“ beigetragen, sagte Frank Eberhardt.

Nach dem Jahr 2013, das schwerpunktmäßig dem Thema Diakonie gewidmet war, und dem Jahr 2017, in dem das 500. Jubiläum der Reformation gefeiert wird, haben die Evangelische Kirche A.B., die Evangelische Kirche H.B. und die Evangelisch-methodistische Kirche in Österreich das Jahr 2015 zum Schwerpunktjahr Bildung erkoren. Mehr zum Jahr der Bildung unter www.bildungundreformation.at

ISSN 2222-2464

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