03.10.2001

Die politische Dimension des Evangeliums

Erste Konsultation zur Sozialethik der Kirchen - Auftakt zum synodalen Prozess „Kirche und Demokratie"

Erste Konsultation zur Sozialethik der Kirchen – Auftakt zum synodalen Prozess „Kirche und Demokratie“

Wien, 3. Oktober 2001 (epd Ö) Mit einer Konsultation zur Sozialethik starteten die evangelischen Kirchen am Mittwoch, 3. Oktober, den synodalen Prozess „Kirche und Demokratie“. „Der synodale Prozess trägt hoffentlich dazu bei, dass die Evangelische Kirche nicht nur ihren Ort in der pluralistischen Gesellschaft von heute bestimmt, sondern dass sie auch die politische Dimension des Evangeliums neu entdeckt“, meinte der reformierte Theologe Univ.Prof. Dr. Ulrich Körtner bei der Tagung im Wiener Albert-Schweitzer-Haus. Die politische Entwicklung in Österreich seit Bildung der ÖVP-FPÖ-Koalition und die durch sie ausgelösten innerkirchlichen Kontroversen seien nur der Anlassfall, um eine längst überfällige Grundsatzdebatte über das Verhältnis von Kirche und Politik, Kirche und Demokratie zu führen.

Oberkirchenrat Bünker: Einmischen ist Christenpflicht

Im Frühjahr des vergangenen Jahres hatten die Lehrenden der Evangelisch-Theologischen Fakultät den synodalen Prozess „Evangelische Kirchen und Demokratie in Europa“ angeregt, im November hatte dann die Generalsynode einen entsprechenden Beschluss gefasst. Wie Oberkirchenrat Dr. Michael Bünker erklärte, gehe es zu Beginn des Prozesses um eine Bestandsaufnahme bestehender Stellungnahmen, im weiteren um die Planung eines Synodenwortes zum Thema „Kirche und Demokratie“. Inhaltlich wolle der synodale Prozess die politische Verantwortung der Christinnen und Christen „in und durch die Evangelische Kirche“ stärken, so der Oberkirchenrat. Das Evangelium sei ohne die Probleme der Welt nicht zu verstehen. Es gehe vielmehr darum, dass Christinnen und Christen ihre politische Verantwortung „aus dem Geist des Evangeliums“ wahrnehmen und sich an dessen Maßstab orientieren. Bünker: „Einmischen ist Christenpflicht.“

Barbara Rauchwarter: Die Sprache wird eindeutiger

Bei ihrer Analyse von Synodenpapieren, Hirtenbriefen und Erklärungen von Superintendentenkonferenzen der letzten 30 Jahre ortete die Mödlinger Theologin Mag. Barbara Rauchwarter eine deutliche Veränderung: „Die Sprache wird eindeutiger, klarer und pointierter.“ Während „Undeutlichkeit das Merkmal der frühen Stellungnahmen“ der Evangelischen Kirche gewesen sei – was sich etwa in den Antirassismus-Stellungnahmen gezeigt habe – seien die späteren Entscheidungen gegen Rassismus „wesentlich reflektierter“. Sowohl in den Erklärungen zur Fremdenfeindlichkeit als auch zum Verhältnis zu den Juden aus dem Jahr 1999 werde deutlich, dass auch schuldhafte Vergangenheit nicht zugedeckt werde, „sondern nachgerade die Reflexion anstößt und vorantreibt“.

In der Entwicklung der letzten Jahre bemerkt Rauchwarter eine „erworbene Kompetenz in der Beurteilung der immer komlexer werdenden Zeitfragen“. Es stelle sich allerdings die Frage, „ob dieser Lernzprozess bis zu den Pfarrgemeinden dringt“. Das theologische Denken der jeweiligen Gemeindepfarrer fördere oder verhindere oft, dass die in der Generalsynode erarbeiteten Papiere in den Gemeinden diskutiert würden. Darüber hinaus lasse sich ein weiteres Merkmal der Entscheidungsfindung in der Generalsynode erkennen: „Heiße Eisen werden grundsätzlich zur Bearbeitung an den Theologischen Ausschuss verwiesen.“ Entscheidend sei dann, welche theologischen Ansätze in den jeweiligen Ausschüssen vertreten würden.

ISSN 2222-2464

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