10.03.2015

Dantine: Evangelische Schulen in Tirol bringen neue Impulse

Stärkung der eigenen religiösen Identität mache dialogfähig

Bärbel Weber, Direktorin der Johann Sebastian Bach Musikschule in Innsbruck, Bischof Michael Bünker, Superintendent Olivier Dantine und Gernot Candolini, Leiter der evangelischen Montessori-Schule in Innsbruck, bei der Pressekonferenz in Innsbruck zum Jahr der Bildung der Evangelischen Kirchen in Österreich (Foto: epd/Uschmann)

Stärkung der eigenen religiösen Identität mache dialogfähig

Innsbruck (epdÖ) – „Der konfessionelle Religionsunterricht, in dem aus der eigenen religiösen Tradition heraus interreligiöse Kompetenzen erworben werden, macht Schülerinnen und Schüler dialogfähig. Auf diese Weise ist religiöse Bildung ein wichtiger Baustein gegen Fundamentalismus und Intoleranz und nicht zuletzt gegen die Ängste vor fremden Kulturen und Religionen“, sagte Superintendent Olivier Dantine bei einer Pressekonferenz anlässlich des Jahres der Bildung der Evangelischen Kirchen in Österreich am 10. März in Innsbruck. Die Stärkung der eigenen religiösen Identität und das wertschätzende Kennenlernen anderer Religionen seien im Blick auf eine zunehmend plurale Gesellschaft wichtig und notwendig, so Dantine. Dies sollte auch jenen bewusst sein, die den konfessionellen Religionsunterricht in Tirol zuletzt öfters in Frage gestellt haben. Dantine: „Es ist wichtig, dass Menschen in der Begegnung mit dem Fremden keine Angst vor Identitätsverlust haben.“

Bildung und Religion gehören zusammen, unterstrich der Superintendent. Dies zeige sich aber nicht nur in der Schule, sondern auch in den zahlreichen außerschulischen kirchlichen Aktivitäten. So setze sich etwa die Evangelische Jugend von Salzburg und Tirol mit ihrem Projekt „Bild dir nix ein“ für Bildung unter Jugendlichen ein. Auch das evangelische Engagement im Schulbereich gewinne in Tirol an Bedeutung. „Seit einigen Jahren entwickelt sich ein kleines, aber feines evangelisches Schulwesen in Tirol“, erklärte Dantine. „Als evangelische Schulen in einem sehr katholisch geprägten Umfeld bringen sie neue Impulse in die Schullandschaft.“

Eine dieser Schulen ist die Johann Sebastian Bach Musikschule in Innsbruck. „Heute erhalten 200 Schülerinnen und Schüler von 14 Lehrerinnen und Lehrern fundierten Musikunterricht in der Johann Sebastian-Bach Musikschule Innsbruck – hauptsächlich in den Räumen der evangelischen Christuskirche und der evangelischen Superintendentur“, berichtete Direktorin Bärbel Weber. Mit ihrem integrativen Konzept will die Schule auch Menschen mit Behinderung den Zugang zur Musik eröffnen. In diakonischer Tradition richte sich die Schule mit ihrem Angebot an alle, unabhängig von Konfession, Religion, Kultur, Alter und Herkunft. Seit 2013 fördert die Stadt Innsbruck die Schule, die vom Diakoniewerk erhalten wird, zusätzlich helfen Spendengelder und Kollekten bei der  Finanzierung der Musikschule. Der nicht unerhebliche Faktor der Personalkosten werde derzeit zur Gänze vom Diakoniewerk in Gallneukirchen übernommen. Leider, so Weber, konnte bisher von Seiten des Landes Tirol keine finanzielle Unterstützung gewährt werden, was für die Existenz der Musikschule äußerst schwierig sei. Denn keine öffentliche Musikschule könne ohne Subvention der Personalkosten bestehen. Die ungebrochen starke Nachfrage zeige den Bedarf an qualitativ hohem Musikunterricht, aber auch, dass das öffentliche Angebot keineswegs ausreiche.

Weil die Reformation den Glauben so eng mit Bildung verbunden hat, haben die Evangelischen Kirchen in Österreich beschlossen, auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 ein ganzes Jahr besonders der Bildung zu widmen, sagte Bischof Michael Bünker bei der Pressekonferenz in Innsbruck. Reformation habe sich aber nicht nur auf Bildung im religiösen Bereich beschränkt, vielmehr sei sie eine gesamtgesellschaftliche Bildungsbewegung gewesen. Aus diesem Grund engagiere sich die Evangelische Kirche auch heute in der aktuellen Bildungsdebatte. Die „Anregungen“ seitens der Evangelischen Kirchen an Politiker und Verantwortliche im Bildungsbereich sind dementsprechend konkret. „Leistungen von Bildungseinrichtungen sollen daran gemessen werden, ob sie in der Lage sind, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen entsprechend ihren jeweiligen Gaben gleichermaßen und differenziert gerecht zu werden“, fordert Bünker. So kritisiert der Bischof etwa die Tatsache, dass nach wie vor soziale Herkunft, Armut und Bildungsferne über den Bildungserfolg entscheiden. Von daher sei es ebenfalls wichtig, die Familien als „Ort primärer Bildung“ frühzeitig und bedarfsgerecht zu fördern. Zusätzlich fordert Bünker eine schrittweise Neustrukturierung des österreichischen Schulsystems in ein inklusives Schulsystem. Wie Superintendent Dantine spricht sich auch Bünker für den konfessionellen Religionsunterricht aus. Es sei wichtig, die religiöse Dimension des Menschen als Bildungsaufgabe zu verstehen, gerade auch angesichts der zunehmenden Konflikte mit religiösen Aspekten. Dass dies alles auch viel Geld koste, ist Bünker bewusst: „Aber eines ist sicher: Das Einzige, das mehr kostet als Bildung, ist, wenn es keine oder schlechte Bildungschancen gibt.“

„Wir verstehen uns als Leuchtturm in der Bildungslandschaft“, erläuterte der Leiter der Montessori-Schule Innsbruck, Gernot Candolini. Vieles, was derzeit diskutiert werde, wie etwa die tägliche Turnstunde, Team-Teaching oder altersübergreifendes Lernen, sei in der Montessori-Schule, die seit 1996 in Innsbruck tätig ist, bereits Alltag. Candolini ist sich bewusst, dass der Montessori-Ansatz, der „darauf schaut, was Kinder können, und ihnen auch viel zutraut“, einen höheren personellen und finanziellen Aufwand benötige. „Es sollte jedoch Konsens sein, in Bildung zu investieren“, erklärte der Schulleiter. Montessori-Schulen befänden sich oft in evangelischer Trägerschaft. In der Selbstbefähigung des Menschen sieht Candolini auch ein „urlutherisches Anliegen“. Derzeit plane man ein Montessori-Oberstufenrealgymnasium, das in den nächsten Jahren in Innsbruck seinen Betrieb aufnehmen soll.

Nach dem Jahr 2013, das schwerpunktmäßig dem Thema Diakonie gewidmet war, und dem Jahr 2017, in dem das 500. Jubiläum der Reformation gefeiert wird, haben die Evangelische Kirche A.B., die Evangelische Kirche H.B. und die Evangelisch-methodistische Kirche in Österreich das Jahr 2015 zum Schwerpunktjahr Bildung erkoren. Zahlreiche thematische Veranstaltungen werden die kommenden Monate prägen, darunter etwa eine Vorlesungsreihe an der Universität Wien, eine Bildungsreise nach Ghana sowie eine Veranstaltung unter anderem mit der Luther-Botschafterin Margot Käßmann. Anlässlich des Bildungsjahres ist auch erstmals ein evangelischer Bildungsbericht für Österreich erschienen. In den Pfarrgemeinden wird das Thema Bildung österreichweit in den Gottesdiensten am 15. März Thema sein.

Mehr zum Jahr der Bildung unter www.bildungundreformation.at

ISSN 2222-2464

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