30.10.2008

Bayerischer Landesbischof Friedrich: Kirche muss sich von Judenfeindschaft lossagen

Beim Reformationsempfang der Evangelischen Kirchen betonte der Gastredner: "Der christliche Glaube hält an der bleibenden Erwählung Israels fest"   Hinweis: Honorarfreie Fotos auf foto.evang.at

Beim Reformationsempfang der Evangelischen Kirchen betonte der Gastredner: „Der christliche Glaube hält an der bleibenden Erwählung Israels fest“   Hinweis: Honorarfreie Fotos auf foto.evang.at

Wien (epd Ö) – „Es gehört zu den ureigensten Aufgaben der Kirche, sich von jeglicher Judenfeindschaft loszusagen, ihr dort, wo sie sich regt, zu widerstehen und sich um ein Verhältnis zu Juden und zu jüdischer Religion zu bemühen, das von Respekt, Offenheit und Dialogbereitschaft geprägt ist.“ Das sagte der Landesbischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Dr. Johannes Friedrich, in seinem Festvortrag beim Empfang zum Reformationsfest, zu dem die Evangelische Kirche A.B., die Evangelische Kirche H.B. und die Evangelisch-methodistische Kirche am Vorabend des Reformationsfestes, dem 30. Oktober, in die Österreichische Akademie der Wissenschaften geladen hatten.

In dem Vortrag zum Thema „Juden und Christen im Jahr 2008: Freunde, Nachbarn oder Geschwister?“ hielt der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) fest: „Zwar sind Judentum und Christentum unterschiedliche Wege gegangen und stellen trotz der gemeinsamen Wurzel zwei verschiedene Glaubensgemeinschaften dar“, dennoch bleibe Israel nach Aussagen des Neuen Testaments das erwählte Gottesvolk. Seine Erwählung werde nicht durch die Erwählung der Kirche aus Juden und Heiden aufgehoben. Friedrich: „Der christliche Glaube hält an der bleibenden Erwählung Israels fest. Sie hat ihren Grund in der Treue Gottes zu seinen Verheißungen.“

Der Bischof kritisierte, dass es immer noch Menschen gebe, die im Verhältnis von Juden und Christen „mehr Gegnerschaft – oder zumindest ein Gegenüber – sehen als Geschwisterschaft“. Nicht wenige Mitbürger hätten Vorurteile gegenüber Juden ohne irgendeine eigene Erfahrung mit ihnen zu haben. Dennoch seien gerade nach den Ereignissen des letzten Jahrhunderts „viele Menschen, insbesondere viele Christen, sehr sensibel geworden, was den Umgang mit Juden betrifft“. Friedrich, der von 1985 bis 1991 Probst an der evangelischen Erlöserkirche in Jerusalem war, erklärte: „Ich verstehe mehr von meinem Glauben, wenn ich den jüdischen Glauben besser kenne.“ Der Bischof erinnerte daran, „dass Jesus natürlich Jude war, jüdisch gedacht und jüdisch geglaubt hat“, und sagte: „Unsere besonderen Beziehungen liegen nicht in der Differenz, sondern im Gemeinsamen.“

Messiasfrage Gott überlassen

Zur Frage nach dem Messias, die von Christen und Juden unterschiedlich beantwortet wird, sagte der Bischof: „Ich meine, dass wir als Christen die Beantwortung der Frage ruhig Gott und dem Heiligen Geist selbst überlassen dürfen und einstweilen fröhlich unseren Glauben an Gott, den Vater Jesu Christi, bekennen und gleichzeitig das Bekenntnis der Juden zu dem Gott ernst nehmen dürfen, den auch Jesus als seinen Vater bekannt hat.“

Auch aus der für das evangelische Selbstverständnis so wichtigen Lehre von der Rechtfertigung des Sünders durch den Glauben könne nicht die Verwerfung des Judentums gefolgert werden. Vielmehr werde die Rechtfertigungslehre vom Apostel Paulus mit der Treue Gottes zu seinem bleibend erwählten Volk Israel in Beziehung gesetzt.

„Wenn die jüdische Wurzel nicht berücksichtigt wird, führt dies zu einer verkürzten Sichtweise christlicher Identität“, erklärte der Bischof.

ISSN 2222-2464

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