15.09.2024

Schweigen ist nicht immer Gold

Julia Schnizlein über belastende Geheimnisse, die wir in Gottes Hände legen dürfen

Es gibt nichts, das durch Verschweigen ungeschehen oder besser gemacht werden könnte, ist Julia Schnizlein überzeugt. (Foto: Depositphotos / ryanking999)

Julia Schnizlein über belastende Geheimnisse, die wir in Gottes Hände legen dürfen

„Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“, sagt man oft. Aber stimmt das auch? Sind nicht gerade jene Themen, die vertuscht und totgeschwiegen werden, meist besonders belastend? Familiengeheimnisse zum Beispiel. Schmerzliche Wahrheiten, die oft über Generationen verschwiegen werden, aber trotzdem immer noch im Raum stehen: Betrug, Suizid, Missbrauch, Sucht- oder psychische Erkrankungen – kaum jemand möchte darüber reden, aber trotzdem schwingen diese Erfahrungen immer mit. Das kann nicht nur für die Geheimnisträger selbst, sondern auch für deren Nächste belastend sein. Instinktiv spüren sie, dass etwas nicht stimmt, ohne die Chance zu haben, diese Gefühle einzuordnen.

Kinder, die mit solchen Familiengeheimnissen aufwachsen, lernen, dass gewisse Dinge so schlimm sind, dass man sie verheimlichen muss. Dass eine Lebensgeschichte nur dann wertvoll, gut und richtig ist, wenn sie ohne bittere Wahrheiten daherkommt. Dabei gibt es keine einzige Lebensgeschichte, in der es nicht auch dunkle Flecken und Schattenseiten gibt. Und es gibt nichts, das durch Verschweigen ungeschehen oder besser gemacht werden könnte.

Man sagt: „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Das stimmt aber eben nicht immer. In der christlichen Kirche gibt es daher die Praxis der Beichte. Bei uns Protestanten ist sie kein Sakrament und schon gar nicht notwendig, um vor Gott Gnade zu erlangen. Aber auch Martin Luther sah in der Beichte eine wertvolle, freiwillige Praxis, um sich Belastendes von der Seele zu sprechen, Schuld offen einzugestehen und so Platz für Reue und Aussöhnung zu schaffen.

Gott selbst braucht unsere Beichte natürlich nicht, denn er kennt unsere kleinen und großen Geheimnisse ohnehin. Ihm bleibt nichts verborgen: das Gute, aber auch das weniger Gute, die Highlights, aber auch die dunklen, verstörenden Seiten unseres Lebens.

Umso wichtiger ist es, nicht zu versuchen, Belastendes zu vertuschen. Wir dürfen es getrost in Gottes Hände legen und uns immer wieder auch unseren Mitmenschen offenbaren. So wie Gott schon den Apostel Paulus aufforderte: „Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht! Denn ich bin mit dir, und niemand soll sich unterstehen, dir zu schaden.“ (Apostelgeschichte 18)

ISSN 2222-2464

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