Geist: Caspar Tauber auch Vorbild für heute
Gedenkveranstaltungen für vor 500 Jahren hingerichteten evangelischen Märtyrer in Wien
Gedenkveranstaltungen für vor 500 Jahren hingerichteten evangelischen Märtyrer in Wien
Wien (epdÖ) – „In Zeiten zunehmender Verrohung der Sprache und wieder steigenden autoritären Mustern“ sollte Caspar Tauber, der wohl erste evangelisch-lutherische Märtyrer auf österreichischem Boden, ein Glaubensvorbild sein. Der vor 500 Jahren – am 17. September 1524 – in Wien hingerichtete Tuchhändler mahne zu „anderer Toleranz als zu einer Festungsmentalität, die Menschen ausgrenzt, abschiebt oder seelisch in die Enge treibt“, sagte der Wiener evangelische Superintendent Matthias Geist über den Märtyrer am Sonntag, 15. September, in der Lutherischen Stadtkirche in Wien. In seiner Predigt zum Wort Jesu aus der Bergpredigt „Eure Rede aber sei: Ja, ja; nein, nein. Was darüber ist, das ist vom Bösen“ (Mt 5,37) würdigte Geist die Glaubensfestigkeit Taubers, die zugleich Toleranz gegenüber anderen Überzeugungen beinhaltet habe.
Caspar Tauber verfasste im damals katholischen Wien eine reformatorische Flugschrift mit Kritik an der Ohrenbeichte, Heiligenverehrung und der Lehre vom Fegefeuer. 1524 wurde er verhaftet und im Kärntnerturm in Wien festgehalten. Zunächst widerrief Tauber seine Glaubensüberzeugungen, an der Pforte des Stephansdoms verweigerte er allerdings unter Berufung auf die Bibel den ihm auferlegten öffentlichen Widerruf. Am 17. September 1524 wurde er deswegen zur Richtstätte auf der Gänseweide in Erdberg geführt und enthauptet.
„Caspar Tauber war kein Fantast, kein Spinner, kein egomanischer Held und auch kein Psychopath. Er war Mensch. Wie du und ich!“, sagte Superintendent Geist über den Märtyrer, der aus Südmähren stammte und seit 1511 in Wien lebte. Er habe seinem Priester die Beichte verweigert mit den Worten: „Schafft ewer Sach, ich hab Got, meinem hymlischen Vater gebeicht.“ Zugleich appellierte der Verurteilte an die Zeugen seiner Hinrichtung auf der Gänseweide, sie mögen nicht „hessig noch feindt“ – also gehässig oder feindselig – sein.
Tauber als Beispiel für „Freiheit, die aus eigenem Gewissen keinen Hehl macht“
Jesus nachzufolgen, bedeutet laut dem Superintendenten zum einen, „die Stimme zu erheben“ oder für jemanden einzutreten, der in Not ist oder Hilfe braucht. Zum anderen bedeute Nachfolge auch, „Barmherzigkeit zu zeigen“ gegenüber „Kranken und Aussätzigen, Verbrechern, Ausländern und völlig Unbedarften aller Altersstufen“. Geist nannte Tauber als Beispiel für „Freiheit, die aus eigenem Gewissen keinen Hehl macht“, und ergänzte: „Hier beginnt die wahre Freiheit. Hier beginnt das Herz zu pochen, wenn ich für etwas eintrete, was mir wichtig ist.“
Kardinal Christoph Schönborn hatte in einem Grußwort zu den evangelischen Gedenkfeierlichkeiten die Bedeutung von Taubers Glaubenszeugnis für das heutige ökumenische Miteinander betont: „Dass wir heute als Protestanten und Katholiken gemeinsam, Seite an Seite, an das beeindruckende Glaubenszeugnis Caspar Taubers erinnern können, erfüllt mich mit Respekt, Scham und tiefer Dankbarkeit.“
Verlesen wurde das Grußwort Schönborns bei einer Kranzniederlegung auf der Gänseweide in Erdberg, dem Ort der Hinrichtung Taubers vor 500 Jahren. Neben Gottesdienst und Kranzniederlegung wurde Caspar Tauber auch mit einem Vortrag in der Unterkirche des Stephansdoms und einem Theatergottesdienst in der evangelischen Pauluskirche gedacht.
ISSN 2222-2464