19.11.2023

Worunter Jesus litt

Julia Schnizlein über Pontius Pilatus und das vielfache Leid Christi

Von Pilatus zum Tod verurteilt, litt Jesus auch darunter, dass man ihn nicht verstand und seine radikale Botschaft der Nächsten- und Feindesliebe ablehnte, schreibt Julia Schnizlein. (Foto: pixabay / dodo71)

Julia Schnizlein über Pontius Pilatus und das vielfache Leid Christi

Immer, wenn wir Christ:innen unseren Glauben bekennen und dabei auf Jesu Leben Bezug nehmen, betonen wir, dass Jesus unter Pontius Pilatus gelitten hat: Ich glaube „…an Jesus Christus, … empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus…“

In einer Zeit, in der wir einmal wieder so viel Leid und Grausamkeit vor Augen geführt bekommen und viele nach einfachen Lösungen und Schuldzuweisungen suchen, finde ich diese Betonung problematisch. Denn sie suggeriert eine einfache Lösung: Hätte es den bösen römischen Statthalter nicht gegeben, hätte Jesus nicht leiden müssen. Aber das ist nicht richtig.

Pilatus war eine Randfigur in Jesu Leidensgeschichte. In Wahrheit litt Jesus unter dem allgemein Menschlichen. Er litt darunter, dass man ihn nicht verstand. Er litt darunter, dass man ihn und seine radikale Botschaft der Nächsten- und Feindesliebe ablehnte. Er litt darunter, dass er in der entscheidenden Phase seines Lebens- und Leidenswegs von seinen engsten Vertrauten im Stich gelassen wurde.

Und er litt unter all jenen, bei denen seine Botschaft Anstoß erregte. Jene, deren Privilegien und deren Führungsanspruch er in Frage stellte. Unter den Selbstgerechten und Unterdrückern, denen er einen Spiegel vorhielt. Jesus kritisierte das Leistungsdenken und wertete stattdessen jene Menschen auf, die bis dahin in den Augen der Allgemeinheit kaum etwas wert waren.

Gottes Sohn war für viele Menschen ein unbequemer Zeitgenosse: Auch deshalb musste er leiden. Jesus brachte Opfer, er opferte sogar sein eigenes Leben. Aber Jesus war kein Opfer! Schuldzuweisungen an andere hätte er klar abgelehnt. Noch am Kreuz bat er um Vergebung für die, die ihm Leid zugefügt hatten.

Diese Größe und Haltung im Leid sollten wir uns vor Augen halten. Zum Beispiel, indem wir das Glaubensbekenntnis so betonen, wie es wohl ursprünglich gedacht war. Man muss nur die Beistriche anders setzen („gelitten, unter Pontius Pilatus gekreuzigt…“). Der Name Pilatus dient dann nur mehr als Zeitangabe. So wie im großen ökumenischen Glaubensbekenntnis von Nizäa-Konstantinopel, in dem es heißt: „Er wurde für uns gekreuzigt unter Pontius Pilatus, hat gelitten und ist begraben worden.“

ISSN 2222-2464

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