03.07.2012

Synodenpräsident Krömer: „Eingriff in Religionsfreiheit“

Deutsches Beschneidungsurteil: Gefahr für Selbstbestimmungsrecht

Synodenpräsident Peter Krömer: "Das Verbot einer medizinisch nicht indizierten Beschneidung männlicher Knaben greift massiv und nicht gerechtfertigt in die Religionsfreiheit der Israelitischen Religionsgemeinschaft ein und auch in die Religionsfreiheit der Islamischen Glaubensgemeinschaft." (Foto: epd/Uschmann)

Deutsches Beschneidungsurteil: Gefahr für Selbstbestimmungsrecht

Köln/St. Pölten (epdÖ) – „Das Verbot einer medizinisch nicht indizierten Beschneidung männlicher Knaben greift massiv und nicht gerechtfertigt in die Religionsfreiheit der Israelitischen Religionsgemeinschaft ein und auch in die Religionsfreiheit der Islamischen Glaubensgemeinschaft.“ Das betont der Präsident der Generalsynode der Evangelischen Kirche A. und H.B. in Österreich, Rechtsanwalt Peter Krömer, in einer persönlichen Stellungnahme. Darin befasst sich der Jurist mit dem in Deutschland viel diskutierten Urteil des Landgerichts Köln, wonach die Beschneidung Minderjähriger aus rein religiösen Gründen eine Körperverletzung darstellt.

Zur Vorgeschichte: Im November 2010 hatte ein niedergelassener Arzt für Allgemeinmedizin in Köln in medizinisch einwandfreier Weise die Beschneidung, also die operative Entfernung der Vorhaut, eines vierjährigen Knaben durchgeführt, ohne dass dafür ein medizinischer Grund vorlag. Die muslimischen Eltern erteilten dem Arzt eine entsprechende Einwilligung. Der Allgemeinmediziner wurde in Folge wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt, jedoch vom Amtsgericht Köln freigesprochen. Gegen dieses Urteil legte die Staatsanwaltschaft Berufung ein. Diese wurde zwar verworfen, das Landgericht Köln aber hielt fest, dass der Tatbestand der einfachen Körperverletzung durch den Mediziner erfüllt sei, da der Eingriff nicht dem Wohl des Kindes entsprach und somit nicht gerechtfertigt gewesen sei. Das Grundrecht des Kindes auf körperliche Unversehrtheit wiege mehr als die Grundrechte der Eltern. Dazu komme, dass eine Beschneidung zur Folge habe, dass das Kind später nicht selbst über seine Religionszugehörigkeit entscheiden könne. Umgekehrt sei es den Eltern durchaus zumutbar, so lange auf die Beschneidung zu verzichten, bis das Kind mündig sei und sich selbst dafür entscheiden könne.

In Österreich dagegen stelle eine Beschneidung aus religiösen Gründen keine Körperverletzung dar, sofern die Eltern diesem medizinischen Eingriff zustimmen, so die gängige Rechtsmeinung. Dies wurde auch durch die kürzliche Gesetzesnovelle, die die äußeren Rechtsverhältnisse der Israelitischen Religionsgesellschaft betraf, nicht geändert. In seiner Stellungnahme macht Krömer darauf aufmerksam, dass die Beschneidung männlicher Knaben am achten Tag nach ihrer Geburt essentiell für die Religionsausübung und die Zugehörigkeit zur Israelitischen Kultusgemeinde sei. Diese sei vergleichbar mit der Taufe der christlichen Kirche. „Die Aufforderung an die Israelitischen Kultusgemeinden (Juden), die Beschneidung männlicher Knaben zu unterlassen und diese selbst entscheiden zu lassen, bedeutet, dass man es den Mitgliedern der Israelitischen Kultusgemeinden verweigert, entsprechend ihrer religiösen Überzeugung – im Sinne des Alten Testaments – männliche Knaben in ihre Religionsgemeinschaft – das Volk Israel aus ihrer Sicht – aufzunehmen“, so Krömer. Würde man das Erkenntnis des Landgerichtes Köln konsequent weiter verfolgen, ist Krömer überzeugt, käme man zum Ergebnis, dass nicht nur die Beschneidung, sondern auch die Kindertaufe nicht zulässig sei und das Recht der Eltern auf die religiöse Erziehung ihrer Kinder stark einzuschränken sei.

Der Rechtsanwalt, der sich innerhalb der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) intensiv mit der Frage der Religionsfreiheit beschäftigt, resümiert in seiner persönlichen Stellungnahme: „Es zeigt sich, dass bei der Rechtsfrage, ob aus strafrechtlicher Sicht die Beschneidung männlicher Kleinkinder bei Zustimmung der Eltern aus religiösen Gründen zulässig ist oder nicht, zahlreiche weitere Rechtsfragen, vor allem im Bereich des Grundrechtes der Religionsfreiheit inklusive des Rechtes der Eltern auf religiöse Erziehung ihrer Kinder, sowie diverse Kinderschafts- und familienrechtliche Fragen mit weitreichenden Konsequenzen aufgeworfen werden. Im gegenständlichen Fall steht das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften in Ansehung deren Lehre und Aufnahme von Mitgliedern auf dem Spiel sowie letztlich massive unzulässige Eingriffe in die Religionsfreiheit.“ Diese Entwicklung „macht mich aus der Sicht der Religionsfreiheit äußerst betroffen“, schreibt Krömer, sie könnte in Zukunft auch negative Auswirkungen auf die freie Religionsausübung der Evangelischen Kirchen in Österreich haben. In Deutschland sei der Gesetzgeber aufgerufen, entsprechende Klarstellungen für eine freie Religionsausübung der Israelitischen Religionsgesellschaft und der Islamischen Glaubensgemeinschaft zu treffen.

ISSN 2222-2464

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