11.01.2012

„Sozialverträglichkeitsprüfung“ für Sparpakete gefordert

Bischof Bünker: Kirchen haben hohe soziale Kompetenz

Zusammenhalt statt Reichen-Bashing fordert Bünker. Foto: S. Hofschläger/pixelio.de

Bischof Bünker: Kirchen haben hohe soziale Kompetenz


Wien (APA/epdÖ) – Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker ist für die Einführung einer „Sozialverträglichkeitsprüfung“ von Maßnahmen zur Budgetkonsolidierung. Bereits beim derzeit geplanten Sparpaket sollte diese erfolgen, forderte er im Interview mit der APA. Obwohl man sich angesichts der Krise Gedanken um die Vermögensverteilung machen sollte, warnt er vor klassenkämpferischen Tönen: „Von einem Reichen-Bashing halte ich nichts.“ Personalmangel in der evangelischen Kirche gibt es laut dem Bischof nicht.

Bünker verweist bei der Sozialverträglichkeitsprüfung auf eine alte Forderung der Kirchen, welche bereits im ökumenischen Sozialwort verankert ist und die, erst einmal umgesetzt, „wirklich etwas Neues“ wäre. Dabei soll es sich um ein geordnetes Verfahren wie etwa bei der Umweltverträglichkeitsprüfung handeln. Organisationen wie die Armutskonferenz, aber auch Caritas und Diakonie würden dort „mit einer gewissen entscheidenden Funktion“ Gesetze im Hinblick auf deren soziale Auswirkungen begutachten.

Dass Bünker mit seiner Forderung in Zeiten laizistischer Initiativen zu weit gehen könnte, findet er nicht. „Kirchen mischen sich in die Realpolitik ein, weil sie im gesamten sozialen Bereich seit Jahren und Jahrzehnten in einem großen Ausmaß tätig sind und von daher sicher eine Kompetenz erworben haben.“ Dementsprechend wünscht er sich, die Krise als Chance zu sehen: „Nur mit dem Appell des Sparens darauf zu reagieren, nimmt auch diese Chance.“ Der Bischof fordert vielmehr Investitionen etwa in Bildung (Bünker selbst hat das Volksbegehren unterschrieben), Forschung, Kinderbetreuung und Pflege. „Das sind auch Bereiche, wo Arbeitsplätze geschaffen werden.“

Bünker warnt auch vor einem „Reichen-Bashing“, das zum weiteren Auseinanderdriften der Gesellschaft und sozialen Spannungen führen könnte: „Das führt zu nichts. Das würde nur das, was man schon auf der anderen Seite erlebt, dass man Armut verachtet, umkehren.“ Tatsache sei aber, dass die Einkommen in Österreich im Vergleich zu anderen Staaten moderat ungleich seien, dass aber Vermögen (Geld und Immobilien) höchst ungleich verteilt sind. „Wir haben in diesem Bereich sicher einen Regulierungsbedarf, der hier mehr Verteilungsgerechtigkeit anstreben sollte. In welcher Form das auch immer geschieht. Wir haben derzeit das System, das die Ungleichheit fördert.“

Über die jüngst von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner angekündigte Grundversorgung für Asylwerber freut sich Bünker: „Das ist etwas, das ganz wichtig ist.“ Allerdings sei damit in diesem Bereich längst nicht alles getan, „der Standard ist ja nicht sehr hoch in Österreich“. Nach wie vor gebe es einen „Überhang der Altlasten“, weiter komme es zu Abschiebungen von Kindern und Familien. Der evangelische Bischof fordert daher weiter ein Bleiberecht nach fünf Jahren für gut integrierte Familien. „Dann hätte man sich das alles erspart, was jetzt noch immer als Problem weitergeschleppt wird.“

Dass die Volksanwaltschaft künftig zu einer Art Koordinationsstelle für Missbrauchsopfer werden soll, begrüßt der Bischof. An die evangelische Kirche sei aber diesbezüglich noch niemand herangetreten. „Vielleicht auch deswegen, weil es bei uns ja noch immer auf den Fingern einer Hand abzuzählen ist.“ Im Herbst des vergangenen Jahres waren Fälle in der evangelischen Stiftung De La Tour in Kärnten bekanntgeworden. Die Leitung der Stiftung habe sich dabei „vorbildlich verhalten“, die Opfer würden absolut ernst genommen.

Einen Pfarrermangel gibt es laut Bünker in der evangelischen Kirche nicht. Die Zahl der Studierenden sei gleichbleibend und im Vergleich zu anderen theologischen Fakultäten im deutschen Sprachraum hoch. Im Hinblick auf die Reformbestrebungen der Pfarrerinitiative in der römisch-katholischen Kirche kann er sich eine gewisse Ironie nicht verkneifen: „Man stellt ja mittlerweile fest, dass man nicht genau weiß, wer jetzt mehr protestantisiert. Ob das jetzt der Monsignore Schüller ist oder der Herr Kardinal.“ Und weiter: „Ich glaube, dass die Erinnerung an Martin Luther immer eine gute ist. Er war ein Reformer und dass jede Kirche immer reformbedürftig ist, das ist evangelisches Grund-Ein-Mal-Eins.“

ISSN 2222-2464

Diesen Beitrag teilen

Newsletter abonnieren

Der Newsletter von evang.at mit den wichtigsten Nachrichten des Evangelischen Pressedienstes (epd) ist kostenlos und erscheint in der Regel einmal pro Woche am Mittwoch.