04.05.2011

Religionsvertreter: Dialog an Basis bringen

Bünker, Muzicant, Schakfeh, Schönborn und Staikos diskutierten mit Außenminister Spindelegger über Religion als Lösungsstrategie in der Integrationsfrage

Religionsvertreter diskutierten im Außenministerium über Integrationsfragen: (v.l.) Präsident Anas Schakfeh, Vizekanzler Michael Spindelegger, Kardinal Christoph Schönborn, Bischof Michael Bünker, Moderatorin Doris Appel und Präsident Ariel Muzicant. Foto: Brigitte Ngo Van-Wagner

Bünker, Muzicant, Schakfeh, Schönborn und Staikos diskutierten mit Außenminister Spindelegger über Religion als Lösungsstrategie in der Integrationsfrage

Wien (epd Ö) – Für einen breiten Dialog, der nicht nur zwischen den Spitzen geführt wird, sondern auch die Basis erreicht, haben sich am Montagabend, 2. Mai, die führenden Religionsvertreter in Österreich ausgesprochen. Anlässlich des 60. Jahrestags der Unterzeichnung des Vertrages von Paris – er hatte den Integrationsprozess Europas eingeleitet – hatte Außenminister und Vizekanzler Michael Spindelegger den evangelisch-lutherischen Bischof Michael Bünker, den Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeinde Ariel Muzicant, den Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft Anas Schakfeh, Kardinal Christoph Schönborn und den orthodoxen Metropoliten Michael Staikos zu einer Podiumsdiskussion ins Außenministerium eingeladen.

Spindelegger bezeichnete es als „Herzensanliegen“, den Dialog zwischen den Religionen vorantreiben zu wollen. Österreich nehme hier eine Vorreiterrolle ein: „Wir haben den Dialog zu einer Marke entwickelt.“ Dennoch brauche der Dialog mehr Raum. Statt über Minarette zu diskutieren, sollte gefragt werden, „was Religionsfreiheit in Europa bedeutet“, erklärte der Außenminister und kündigte an, den Dialog verstärkt auch auf Länderebene bringen zu wollen. Zudem werde in Wien an einem Zentrum für religiösen Dialog gearbeitet.

Religion sollte beim Thema Integration nicht als Problem, sondern als Lösungsstrategie gesehen werden, meinte Bischof Bünker und erinnerte daran, dass die Religionsgemeinschaften bereits 2008 den politisch Verantwortlichen ein ausführliches Dokument über ihre gemeinsamen Vorstellungen von Integration vorgelegt hätten. Religionen leisteten, so Bünker, einen „wesentlichen“ Beitrag im gegenseitigen Austausch, die Kirchen seien hier „stark engagiert“. Dennoch hätten Religionen auch ihre „dunklen Seiten“. Es liege „in unserer Verantwortung, wie wir Religion verstanden und umgesetzt haben wollen“. Der Bischof warnte vor einer Instrumentalisierung der Religion durch die Politik: „Derzeit erleben wir das beim Islam, wo alle Fragen der Integration unter dem religiösen Label subsumiert werden.“ Die Monarchie sei 1918 nicht an den unterschiedlichen Religionen, sondern an den Nationalismen zerbrochen. Dem pflichtete auch Metropolit Staikos bei. Zwar werde Religion „mitgetragen und mitgeprägt“ durch das nationale Element, jeder Form des Nationalismus gelte es jedoch zu wehren. Staikos rief dazu auf, „das Fremde nicht als Gefahr, sondern als Bereicherung“ zu sehen. Integration könne erlebt werden „und wird immer selbstverständlicher“, zeigte sich der Metropolit zuversichtlich.

Österreich brauche einen Paradigmenwechsel, forderte Ariel Muzicant: Bevölkerungswanderungen und damit auch Integration seien eine unabwendbare Realität und müssten positiv gesehen werden. Es gelinge der Politik aber nicht, den Menschen die Angst zu nehmen und eine Entemotionalisierung der Debatte zu bewirken. Der Dialog werde zwar zwischen den Eliten geführt, erreiche jedoch nicht die Bevölkerung. Angesichts der „Islamophobie“ sieht Kardinal Christoph Schönborn noch „einige Hausaufgaben“, etwa in „Gemeindebauten, wo sich Österreicher als Fremde erleben“. Gefordert seien alle gesellschaftlichen Akteure von der Politik bis zu den Kirchen. Integration könne letztlich nur gelingen, wenn es zu einer „gelebten Nachbarschaft“ komme; wenn sich die Menschen gegenseitig einladen, gemeinsam Feste feiern oder sich auch sozial engagieren, so Schönborn.

Ariel Muzicant will „besser von Respekt statt von Toleranz“ sprechen. Der Präsident kritisierte in diesem Zusammenhang Bestrebungen auf EU-Ebene, das Schächten zu verbieten. Hier ortet Muzicant „unzumutbare Religionseinschränkungen“. Präsident Schakfeh wiederum wies darauf hin, dass die Integration der Muslime in Österreich weit besser sei als in so manchen anderen Ländern Europas. Wenn es Probleme gäbe, würden diese hauptsächlich von „Außenwirkungen“ verursacht.

ISSN 2222-2464

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